Flamencotheater à la Mora entfacht Begeisterungsstürme

Die Uraufführung „A las 5 de la tarde" beim 1. Stuttgarter Flamencofestival

Stuttgart, 04/08/2010

Im Abseits, einsam aber nicht allein, sitzt Inmaculada Ortega. Rot leuchtet das Kleid, aufgewühlt das Haar. Bewegungen holt sie aus der Tiefe, physisch, wie metaphysisch. Sie dreht und windet ihren grazilen Körper, umkreist einen imaginären Punkt. Dionysische Wildheit bändigt die spanische Tänzerin in apollinischer Wohlgestalt, Hochspannung entlädt sich über die Finger- und Haarspitzen, die Luft vibriert. Klopfzeichen. Ihr gegenüber sind Männer im Schummerlicht um einen Tisch versammelt. Sie töten das Warten mit Finger-Schnippen, Klopfen, Klatschen und Stampfen. Der Schlagabtausch, ein Frage- und Antwortspiel mit Händen und Füßen, schwillt zum Klanggewitter. In der Ferne läutet ein Totenglöckchen.

Dem Duo Catarina Mora (Idee/künstlerische Leitung) und Verena Weiss (Regie) ist mit „A las 5 de la tarde" zum Auftakt des 1. Stuttgarter Flamencofestivals ein atmosphärisch dichtes Stück mit magischer Wirkung gelungen. „A las 5 de la tarde", fünf Uhr nachmittags, ist laut Federico Garcia Lorcas berühmtem Gedicht die Stunde des Todes. Der Stier wird aus völliger Dunkelheit ins Licht der Arena geschickt. Geblendet und ohne Orientierung reagiert er unberechenbar. Beide, Torero und Stier, sind im entscheidenden Augenblick auf ihre Intuition angewiesen.

Das Bild als Metapher für innere Kämpfe, haben Mora und Weiss mit Inmaculada Ortega, Joaquin Ruiz und Miguel Angel, allesamt Flamencotänzer mit Kultstatus, in nur zehn Probentagen in Madrid erarbeitet. „Alegria“, „Seguiriya“ und „Solea por Buleria“ - flankiert vom stimmstarken Sänger- und Komikerduo David Vasquez und Pedro Sanz, sowie den erstklassigen Gitarristen Antonio Espanadero und Fernando de la Rua sind die Soli in der Kürze der Zeit zu einem fulminanten 80-minütigen Stück gereift, das, im tanztheatralischen Schonraum auf den Wesenskern des Tanzes konzentriert, weder Spanienklischees noch Männerfantasien bedient, nicht mit kommerziellen Formaten wetteifert oder technische Hochleistung als Selbstzweck zelebriert.

Inszenatorische und darstellerische Leistungen, die in einer improvisierten Apotheose kulminieren, sind ein gewagter Balanceakt, der vom Publikum honoriert wird. Am Ende der Premiere springen die Zuschauer wie entfesselt von den Sitzen, würdigen alle Mitwirkenden in einem viertelstündigen Beifallssturm, nehmen wieder Platz, um die Zugaben zu genießen, bevor erneut der Applaus aufbraust.

www.flamencomora.de / www.produktionszentrum.de / www.theaterhaus.com

Kommentare

Noch keine Beiträge