Tanz der Finsternis

In ihrem Tanzstück „Die Summe der Öffnungen“ erforscht die Münchner Choreografin Anna Konjetzky die dunklen Seiten der menschlichen Existenz

München, 22/01/2010

Endzeitstimmung auf der Bühne der Münchner Muffathalle. Es sind bedrückend intensive Bilder, mit denen Anna Konjetzky die Uraufführung ihres Tanzstückes „Die Summe der Öffnungen“ beginnen lässt: Fünf Gestalten, halb liegend, halb sitzend; blutleere, gebrochen wirkende Körper, achtlos verloren und vergessen im ungewissen Halbdunkel des archaisch-kargen Bühnenraumes. Dunkle Tücher verhüllen die menschlichen Züge der Figuren, generieren Einförmigkeit und Anonymität. Ihrer visuellen und auditiven Wahrnehmung beraubt, wird die aus grauen Betonquadern sich auftürmenden Felslandschaft für die Figuren nur mehr über tastende Bewegungen erleb- und erfahrbar: In animalischer Manier kriechen sie über den kalten Boden, reiben sich unbändig-impulsiv an massivem Gestein und verlieren sich schließlich in zuckender Exstase. Getragen von den metallisch-hämmernden Rhythmen einer minimalistischen Klangkomposition (Laura Konjetzky) ringen die Tänzer mit dem unnachgiebigen Stein, suchen sich in der Bewegung von ihrem mächtigen Gegenspieler zu emanzipieren - und werden dabei immer wieder an die Grenzen der physischen Belastbarkeit geführt.

Insbesondere der skulptural anmutende Bühnenraum (Anton Lukas) erfährt im künstlerischen Konzept seine dramaturgische Aufwertung: Indem er die tänzerischen Bewegungen formt, bindet und strukturiert, wird er selbst zum essentiellen Bestandteil des choreografischen Gesamtkonzeptes. Bestimmte Bewegungsabläufe werden etabliert, kontinuierlich wiederholt und konsequent durchgespielt - so lange, bis der Körper schließlich an den Rand seiner Möglichkeiten gerät und die Aktion in völlige Erschöpfung resultieren muss. Die Tänzer winden sich am Boden, taumeln, stürzen und fallen. Dabei erinnern die drastischen Bilder mit ihrer unpoetisch-schroffen Ästhetik oftmals an die Darstellungsprinzipien des von dem japanischen Tänzer Tatsumi Hijikata entwickelte Ankoku Butoh („Tanz der Dunkelheit“). „Angeregt wurde diese Arbeit durch meine Faszination darüber, wie Menschen sich überall, an den merkwürdigsten, absurdesten und furchtbarsten Orten, einen Lebensraum schaffen, sich Zentimeter für Zentimeter Platz, Berechtigung, ja Schönheit erkämpfen,“ so Konjetzky.

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