Schonungslos brutal und bestechend poetisch

Das deutsch-schweizerische Duo Cie Elle P Danse mit „A Mal Game” im I-Camp

München, 16/02/2010

Sanft umfahren die warmen Strahlen des Scheinwerferlichts die Konturen der Tänzerin. Panja Fladerer, ganz Hingabe an den Moment, bewegt sich lustvoll und aufreizend zu den dynamischen Rhythmen der lateinamerikanischen Musik. Immer wieder lässt sie die Hände über den sinnlichen Körper gleiten. Lasziv schwingend und barfüssig im Takt sich wiegend, umfährt sie ihre Konturen - das Kleid tief ausgeschnitten, eine Blume im Haar. Längst hat sie die bewundernden Blicke zweier Augen bemerkt, die mit wachsender Faszination ihr folgen und jeder ihrer Bewegungen bewundernd nachspüren. Gebannt von ihrer flirrend koketten Erscheinung, zieht es den Tänzer Luc Richard unmittelbar in das Geschehen hinein. Ein aufreizend fordernder Blick von ihr, und es ist um ihn geschehen: Mit kraftvoll dynamischen Bewegungen und vollem Körpereinsatz beginnt er die Tänzerin zu umwerben, brilliert als entzückend narzisstischer Virtuose auf Rollerskates oder lässt als charmanter Zauberkünstler seine Partnerin unter einem Tuch verschwinden.

Einzelne Tanzsequenzen, in denen mal Richard, mal Fladerer in monologischer Manier zu bestechen vermag, steigern sich zu einem schweißtreibend körperbetonten und eindringlich getanzten Duett. „Other dancers may be on the floor dear, but my eyes will see only you”, dringt es aus den Lautsprechern, während Mann und Frau sich mehr und mehr in ihren amüsanten Flirt verstricken und tatsächlich weder zu sehen noch zu hören scheinen, wie sich im Hintergrund mit leisen Schritten bereits das nahende Unheil ankündigt.

Immer wieder kehrende, subtil konstruierte Disharmonien in der musikalischen Komposition (Wim Sebo) durchsetzen die sorglos heitere Atmosphäre mit Momenten der Irritation und Verstörung, bis das Stimmungsbild schließlich kippt und das unbeschwerte Spiel zum bitteren Ernst verkommt. Mit den letzten Klängen der Musik bricht Endzeitstimmung in das Geschehen ein. Blitz und Donner stören das Paar auf. Blankes Entsetzen treibt sie auseinander: Von panischen Ängsten getrieben, stolpern und fallen sie, winden sich am Boden, kämpfen ums nackte Überleben. Schonungslos brutal sind diese Bilder zwar, aber auch bestechend eindrucksvoll, da die choreografische Übertragung des Sujets beide Tänzer in all ihrer Körperlichkeit fordert und von den Akteuren gleichsam enorme Präsenz verlangt - ein Anspruch, den sowohl Panja Fladerer als auch Luc Richard mit spielerischer Leichtigkeit gerecht werden.

Nach einem raschen Kostümwechsel auf offener Bühne folgt der zweite, poetischere Teil des Abends, in dem die narrativen Tendenzen und der illustrative Charakter der Choreografie zu Gunsten einer abstrakteren Darstellungsform aufgegeben werden. In fahles Scheinwerferlicht getaucht, scheinen die Körper hier seltsam introvertiert und apathisch; die Bewegungen sind kraftlos und fragil, der Raum, vormals in der Choreografie kaum spür - und wahrnehmbar, wird plötzlich zu einem mächtigen Gegenspieler, der schwer auf den Körpern lastet und sich in ihre Bewegungen einschreibt. Auch hier, in den ruhigeren Momenten, in denen der Tanz in seiner wohl reinsten Form zur Darstellung gebracht wird, kann die Cie Elle P Danse überzeugen: Die poetischen Passagen lassen „A Mal Game” behutsam ausklingen, und geben dem Publikum Zeit und Raum, das Gesehene zu reflektieren. 

 

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