Was ziehe ich bloß an?

Henrietta Horns neues Solo „Schimmer“ bei tanznrw09 in Krefeld

Krefeld, 09/05/2009

Im Sommer 2008 hat Henrietta Horn die Leitung des Folkwang-Tanzstudios, die sie fast zehn Jahre lang innegehabt hatte, niedergelegt. Seitdem widmet sie sich wieder ihrer Solokarriere, der die deutsche Tanzszene einige ihrer schönsten Momente verdankt. Doch ganz nahtlos vermag auch eine Könnerin wie Horn mit ihrem ersten Lebenszeichen nach der Folkwang-Ära nicht an alte Großtaten wie das grandiose „Solo“ von 1999 anzuknüpfen: jene perfekte, vor Spannung vibrierende Studie der Einsamkeit, mit einem Stuhl und einem Tisch weniger als Requisiten denn als Partnern, die uns beim Zuschauen beinahe den Atem nahm.

Für das 35-Minuten-Solo „Schimmer“ – uraufgeführt im Rahmen des Festivals tanznrw09 in der Fabrik Heeder in Krefeld – hat die Choreografin einige Fragen ins Programmheft geschrieben, die mit der Wirkung von Farbe zu tun haben: „Welchen Bewegungsimpuls gibt welche Farbe? Gehört zu Blau immer dieselbe Musik? Kann eine Bewegung eine neue Konnotation von Rot schaffen?“ Bevor die Tänzerin die leere, nur aus einem weißen Tanzteppich und schwarzen seitlichen Sofitten bestehende Bühne betritt, überflutet der Lichtdesigner Reinhard Hubert die Szene mit sekundenkurzen Lichtständen in unterschiedlichen Farben: gelb und blau, grün und weiß; auch zwei unterschiedliche Rottöne sind dabei.

Doch weder die einleitenden Farbspiele noch irgendetwas anderes im weiteren Verlauf beantwortet die im Programmheft gestellten Fragen. Bei ihrem ersten Auftritt kreuzt die Tänzerin Horn die Szene von rechts nach links und entledigt sich dabei einer über einem hellen Unterrock getragenen farbigen Bluse, die sie auf den Boden fallen lässt, ehe sie in einer der seitlichen Gassen verschwindet. In einem neuen Kostüm, das kaum getragen wie die Bluse auf dem Boden landet, kehrt die Tänzerin zurück, um das Spiel mit den unterschiedlichsten Kleidungsstücken, auch Mützen und Hüten, fortzusetzen (Kostüme: Margit Koch). Sie probiert knappe, elastische, mit glitzernden Pailletten besetzte Teile an, die sie übereinander zieht und gegeneinander verschiebt, ein bodenlanges leuchtend grünes Kleid, ein fast klassisches, zweiteiliges, helles Kostüm nebst Kapotthut – und alles landet nach kurzer Tragezeit auf dem Boden, auch die helle Hose, die sie zu Beginn unter dem Unterrock getragen hat; zeitweise sind dort an die fünfzehn Kleidungsstücke verstreut. Einmal kehrt die Tänzerin auf hohen Plexiglas-Stilettos aus den Kulissen zurück, auf denen sie wie ein Model über die Szene stöckelt, und immer mal wieder spielt sie mit vier leichten schwarzen Schemeln, die sie zu immer neuen Positionen knarzend über den Bühnenboden verschiebt: lange das einzige Geräusch, das ihre Aktionen und Tänze begleitet (denn eine sanft perlende Musik von David Darling und Peter Giger setzt sie gerade nur in der Mitte des Stücks für kurze Minuten ein).

Es ist keineswegs so, dass die An- und Auskleide-Aktionen, das Spiel mit den Schemeln die rein tänzerischen Passagen rein zeitlich überträfen. Aber im Bewusstsein des Zuschauers bilden sie – und nicht die häufig bodennahen tänzerischen Passagen – den Kern des Stücks, und generell scheint die Art der Bewegung weniger von der Farbe der Beleuchtung abhängig zu sein, die weiterhin, wenn auch nicht mehr so rasch wie zu Beginn, wechselt, als von der Struktur des Kostüms und nicht zuletzt dem – auf weiten Strecken fehlenden – Schuhwerk. So präsentiert sich denn „Schimmer“, nicht unamüsant, aber weit entfernt von den strengen Qualitäten früherer Stücke Henrietta Horns, weniger als ein Werk über Farben und ihren Einfluss auf die Anschauung von Bewegung denn als eine leicht komische Art Modenschau, und die Frage, die es stellt, ist eine, mit der wohl jede Frau mehrmals täglich konfrontiert wird: Was ziehe ich bloß an?

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