Vorwiegend erfreulich

Rollendebuts beim Hamburger Ballett zur Weihnachtszeit

Hamburg, 04/01/2009

Weihnachten und die Zeit „zwischen den Jahren“ ist meist Hochsaison für Klassiker – auch in Hamburg, wo Ballett-Intendant John Neumeier neben „La Sylphide“ sein erst 2007 aus der Taufe gehobenes „Weihnachtsoratorium“ sowie eine ganze Serie „Nussknacker“ auf den Spielplan setzte. Eine offenbar gelungene Mischung – alle Vorstellungen waren schon Wochen im Voraus ausverkauft. Da mehrere Solistinnen zurzeit schwanger oder im Mutterschutz sind, bot sich (vor allem im „Nussknacker“) eine wunderbare Gelegenheit für diverse Rollendebuts – mit gemischtem, allerdings vorwiegend erfreulichem Ergebnis.

Das Negative vorweg: Anna Laudere vermag die Rolle der Maria im „Weihnachtsoratorium“ noch nicht mit der tiefen innigen Beseeltheit zu verbinden, die dieser schwierige Part braucht und die Anna Polikarpova in der Premiere vor einem Jahr so unnachahmlich zeigte. Lauderes Maria ist fast starr, statisch und nur in ihren Soli höchst expressiv – wobei man sich dann fragt, warum und wieso. Da ist noch viel Entwicklung nötig. Carolina Agüero, Erste Solistin in der Hamburger Kompanie, stattete den Engel im „Weihnachtsoratorium“ leider mit einer gänzlich unpassenden Ballerinen-Attitude aus – für dieses himmlische Wesen ist jedoch eine gesammelte, zurückgenommene, in sich ruhende Bescheidenheit viel mehr gefordert. Silvia Azzoni als erste Besetzung hat hier die Messlatte sehr hoch gelegt, Agüero reicht da trotz einer oft schönen Linie in Haltung und Phrasierung noch lange nicht heran. Auch ihre Louise in „Nussknacker“ lässt Charme, Noblesse und Glanz vermissen, sie erscheint oberflächlich und leer, bar jeder Persönlichkeit. Es scheint, als hätte Agüero in keiner Weise verstanden, was Neumeier in diese Rollen hineingelegt hat. Von einer Ersten Solistin sollte man aber doch genau das erwarten dürfen.

Leslie Heylmann als Louise dagegen verleiht dieser Paraderolle einer klassischen Tänzerin eine funkelnde Brillanz und jenen Hauch von Überheblichkeit, den nur zeigen darf, wer technisch über jeden Zweifel erhaben ist. Sie kann es sich wahrlich erlauben: da sitzt jede Geste, jeder Schritt, jede Balance. Und wann sieht man in Hamburg schon mal so souverän doppelt gedrehte Fouettés? Wer allerdings je Heather Jurgensen oder Anna Polikarpova in dieser Rolle erlebt hat, vermisst ein wenig die Poesie, die dieser schwierige Part durchaus auch braucht – Leslie Heylmann tanzt das alles sehr souverän, aber eben ziemlich cool. Ein bisschen mehr Seele – und das ganze wäre perfekt. Ein Augenschmaus auch Thiago Bordin als Günther – elegant, von feiner Linie und mit einer bestechenden Perfektion in den Drehungen ebenso wie in den Sprüngen und Schrittfolgen. Arsen Megrabian steht ihm in dieser Rolle technisch kaum nach, verfügt aber noch nicht über dieses gewisse Etwas an Souveränität und Adligkeit, die diese Rolle verlangt. Er ist dagegen ein wunderbarer Fritz – Anführer der flotten Kadetten, unter denen vor allem der 19jährige Alexandr Trusch (was für ein Riesentalent hat John Neumeier da im Ensemble!) und Konstantin Tselikov keck herausstechen. Yohan Stegli debütierte als Drosselmeier. In der ersten Vorstellung noch ein wenig unsicher, vermochte er bei der dritten dann doch mehr von der Magie zu zeigen, die diese Rolle braucht, um ihre Wirkung zu entfalten. Er wird sicher noch stärker in diesen Part hineinwachsen – das Zeug dazu hat er.

Im 1. Akt besetzte Neumeier die Nebenrolle der „betrunkenen Tante“ auf Maries Geburtstagsfest mit Patricia Tichy, die diesen Part mit umwerfender Komik voll auskostete. Fast vermag man der Haupthandlung kaum noch zu folgen, so witzig ist es, Patricia Tichy zu beobachten. Hier hat dieses ausgefeilte Detail in der Charakterisierung der großbürgerlichen Geburtstagsgesellschaft endlich mal wieder eine Meisterin gefunden. Mit Florencia Chinellato hat John Neumeier die Hauptrolle erstmals einer Gruppentänzerin anvertraut – und sie damit allerdings überfordert. Ihre Marie wirkt oft aufgesetzt und überzeichnet. Ganz anders Mariana Zanotto – ebenfalls noch im Hamburger Corps. Sie verfügt über diese frische Mädchenhaftigkeit, die die unvergessliche Marianne Kruuse in dieser Rolle schon 1971 in Frankfurt bei der Uraufführung und später ab 1974 in Hamburg vorgegeben hat und die später Silvia Azzoni auf ihre Art vollendet zeigen konnte. Diese Marie muss kindlich sein, aber sie braucht auch Reife und Gelassenheit – Mariana Zanotto hat beides, gepaart mit tänzerischer Souveränität und Spielfreude. Ein Genuss!

Link: www.hamburgballett.de

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