Vollkommene Harmonie in Licht und Bewegung

Das Kieler Ballett mit vier Stücken von Itzik Galili

Kiel, 16/12/2009

Rund um den Glühweinstand auf dem Kieler Weihnachtsmarkt drängeln sich die Menschen. Anders sieht es im Kieler Opernhaus aus. Deutlich sichtbar klaffen die Lücken im Zuschauerraum auf. Was immer die Kieler davon abgehalten hat an diesem Abend die vier Choreografien von Itzik Galili zu besuchen, fest steht, dass sie etwas verpasst haben. Der Premierenabend ist in seiner Schönheit und vollkommenen Ruhe reiner Balsam für die Seele. Nur einen guten Meter über der Bühne baumelt eine erleuchtete Lampe und taucht die nackte Haut des Tänzers unter ihr in warmes goldenes Licht. Nach und nach blenden weitere Lampen auf und immer mehr Tänzer werden sichtbar. Wie ein gut gestimmtes Körperorchester bewegen sich die neun als eine Einheit in der durch das Licht geschaffen intimen Atmosphäre. Sie strahlen eine innere Ruhe aus, die sofort auch den Zuschauer ergreift. Fließend geht die Eleganz in Komik über, wenn die Tänzer wie Höhlenmenschen mit runden Rücken gebückt über die Bühne wandern.

Dass „Things I told nobody“ trotzdem kein bisschen unpassend wirkt, liegt auch an der eleganten Bewegungssprache Galilis. Die Gliedmaßen sind stets bis ins äußerste gestreckt, lange hohe Beine ragen in die Luft und die zeitlichen Verzögerungen in Drehungen, Sprüngen oder Hebungen verleihen dem Ganzen einen besonderen Zauber. „Tanz nur um der Bewegung willen“ interessiert Galili dabei nicht. Seine Stücke sind getanztes Gefühl und so durchleben sie Wut, Trauer oder Hoffnung. Ganz zart geschieht das im zweiten Stück „Fragile“, ein getanztes Duett von Isis Calil de Albuquerque und Robert Philipps. Dünne Scheinwerfer zeichnen eine Lichtlinie auf den Boden, über die sich beide annähern. Die Genialität mit der Galili seine Duette komponiert wird ab der ersten Berührung der zwei Tänzer sichtbar. Die Körper scheinen ineinander zu fließen und sich bis zum Ende des Stücks nicht mehr voneinander zu lösen. Jede der vollendeten Körperfiguren scheint ohne jede Anstrengung ausgeführt zu werden. So wird man von der Harmonie des Paares davon getragen und kann deutlich den Schmerz nachempfinden, als sich die beiden voneinander lösen und er im Dunkel verschwindet, während sie ihm kaum merklich nachwinkt.

Ein Klavierdonner eröffnet das Stück „The 2nd monkey“ nach der Pause. Hatte „Fragile“ ganz leise Gefühle vermittelt, macht Oliver Preiß seinen Gefühlen in diesem Solo lautstark Luft. Wütend schreit er einen imaginären Direktor an, dessen Stimme aus dem Off immer wieder seinen Tanz unterbricht um ihn beinahe sadistisch immer wieder von vorne beginnen zu lassen. Der Tänzer ist hin und her gerissen zwischen der Wut darüber und den Selbstzweifeln, die ihn quälen. Immer wieder sucht er die Bestätigung: „Findest du mich gut? Gefalle ich dir?“ Auf der nackten Bühne, die jeden Scheinwerfer offenlegt und keine Möglichkeit gibt sich zu verstecken, ist Oliver Preiß den Blicken und seinen Gefühlen schutzlos ausgeliefert. Bis zur Erschöpfung tanzt er immer und immer wieder von neuem los. Verliert sich ganz in seinem Tanz um plötzlich wieder von der Off-Stimme herausgerissen zu werden. Der Zuschauer stellt sich die Frage nach der Qualität nicht. Seine hohe Sprünge, weichen Landungen und die Leidenschaft für den Tanz sind bewegend anzusehen.

Lediglich das letzte Stück „Until.With/Out.Enough bleibt in seiner Gesamtheit etwas farblos, wie die weißen Krankenhausleibchen, die die neun Tänzer in diesem Stück tragen. Der weiße Luftballon, der sich plötzlich in einen Roten verwandelt ist eine von vielen schönen Ideen, doch passiert hier wenig Neues und auch die Gefühle kommen weniger stark zum Ausdruck.

Mit dem Kieler Ballett hat Itzik Galili genau das richtige Ensemble für seine Stücke gefunden. Sie beherrschen den klassischen Tanz genau wie die Moderne und bringen so auf höchstem Niveau die Werke des in Tel Aviv geborenen Choreografen zur Vollendung. Mitten in der hektischen Adventszeit tut ein solcher Abend richtig gut.

Weitere Vorstellungen: 29.12.2009, 3.1., 22.1., 24.1., 27.2., 5.3.2010

www.theater-kiel.de

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