Vielfalt der Handschriften

Das siebte Festival TanzArt ostwest

Gießen, 02/06/2009

Die Basis von TanzArt ostwest ist das Prinzip des Austauschs. Tanzkompanien schicken ihre Vertreter mit kleinen Stücken oder Ausschnitten von abendfüllenden Programmen, bekommen dafür im Gegenzug ebenfalls kostenfreie Gastauftritte und können in ihrer Stadt ein Tanzprogramm auf die Beine stellen, das ansonsten nicht möglich wäre. Durch dieses Prinzip ist eine enorme Vielfalt der Tanz-Handschriften in hoher Dichte kennenzulernen, wie es sonst kaum möglich wäre. Was ursprünglich als Austausch der Theater gedacht war, wird längst durch Gruppen der freien Szene bereichert.

Tarek Assam ist einer der Ideengeber und als er 2001 von Halberstadt nach Gießen wechselte, brachte er diese Idee mit. Seit 2003 hat sich die TanzArt zu einem veritablen Tanzfestival ausgewachsen, immer verbunden mit einer vom städtischen Kulturamt in Auftrag gegebenen Choreografie, die eine Woche vorher den Auftakt darstellt. In diesem Jahr erarbeitete Ana Baer Carillo aus den USA mit einem Teil der Gießener Tanzkompanie das Stück „John Cage Projekt Gießen“ für das imposante Foyer des neuen Rathauses. Dazu gehörte die Übertragung des Dauertons aus der Burchardi-Kirche in Halberstadt von dem mehr als 600 Jahre währenden Projekt „Organ2/ASLAP“ (As slow als possible), das die John-Cage-Stiftung betreut. Das neue Rathaus war auch zentraler Teil der Stadtraumbespielung, organisiert von einer Gruppe Soziologiestudenten von der Uni Gießen unter der Leitung von Dr. Georgia Rakelmann. Auch hier brachten sich Mitglieder der Gießener Tanzkompanie mit großem Engagement ein und zeigten tagsüber am gesamten Pfingstwochenende Tanzminiaturen in den Fluren, Innenhöfen und der Tiefgarage. Am Freitagabend wurde zum letzten Mal Assams Stück „Feiningers Fugen“ gezeigt. Im Zentrum der TanzArt stand am Samstagabend die Tanzgala im Großen Haus. Alle beteiligten Kompanien hatten hochkarätige Vertreter geschickt, bei den meisten waren auch die Direktoren und/oder Choreografen mitgekommen. Zum ersten Mal gab es eine Moderation, die auf charmante Art der Szenekenner Günter Pick übernahm. Vertreter des klassischen und neoklassischen Balletts zeigten ihre traditionsbewusste, teils auch ironisch kommentierende Kunst auf Spitze: das Semperoper-Ballett aus Dresden („On the Nature of Daylight“ von David Dawson), Gera („Feuervogel“), Greifswald/Stralsund („Goldberg-Variationen“) und Nordhausen („Camille Claudel“). Zeitgenössischen Tanz boten die Alpha Group aus Graz („Strands“) und die Gießener Tanzcompagnie („Only 4“); wie immer für eine Überraschung gut: Anthony Taylor aus Koblenz („Three Screaming Popes“), umjubelt: Stephen Delattre aus Augsburg („From Bad To Worst“), sozialkritisch: Eva-Maria Lerchenberg-Thöny aus Braunschweig („Jagdszenen“).

Die freie Szene hatte das Theater im Löbershof am Freitag und Samstag für Late-Night-Vorstellungen sowie Sonntag und Montag für normale Abendveranstaltungen. Highlights waren das bodytalk-Tanztheater aus Bonn mit seinem Robert-Schumann-Stück „Der Unvollendenich“ und die Compagnie Irene K. aus Eupen mit einem witzigen Ausschnitt aus ihrem Max-Ernst-Stück „Madame Bonbon“. Es gab ansprechende Soli von Miranda Glikson und Robert Przybyl sowie faszinierende Duette (David Williams, Peter Bingham) zu sehen, eine Improvisation (Melanie Clarke) und Performances von Studierenden der Uni Gießen, aus dem neuen Master-Studiengang Choreografie und Performance unter Prof. Gerald Siegmund. Abwechslungsreicher und interessanter geht’s kaum, so die einhellige Meinung der bei allen Veranstaltungen zahlreich erschienenen Besucher.

www.tanzart-ostwest.de

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