„Die Wirrnis der Pinguine“ von Tarek Assam und Robert Pryzbyl

„Die Wirrnis der Pinguine“ von Tarek Assam und Robert Pryzbyl

Verzweifeltes Gruppenringen

Neues Tanzstück von Tarek Assam und Robert Pryzbyl auf der TiL-Studiobühne

Wie schon in den vergangenen 12 Jahren startete die TanzArt ostwest in Gießen mit einer Uraufführung der gastgebenden Tanzcompagnie Gießen, in diesem Jahr hat sie die „Wirrnis der Pinguine“ zum Thema. Und wieder einmal hat Ballettdirektor Tarek Assam einen Choreografen dazu geholt, mit dem er das experimentelle Stück gemeinsam erarbeitet hat.

Gießen, 07/06/2014
Wie schon in den vergangenen 12 Jahren startete die TanzArt ostwest in Gießen mit einer Uraufführung der gastgebenden Tanzcompagnie Gießen, in diesem Jahr hat sie die „Wirrnis der Pinguine“ zum Thema. Und wieder einmal hat Ballettdirektor Tarek Assam einen Choreografen dazu geholt, mit dem er das experimentelle Stück für die Studiobühne TiL gemeinsam erarbeitet hat.

Robert Pryzbyl war Tänzer in Bremen, seit Abschaffung der dortigen Compagnie ist er freischaffend und hat in Gießen 2012 seine erste Choreografie mit einer Gruppe geschaffen (Hypnotic Poison). Mittlerweile ist er mehrfach geehrt, was Assam besonders freut, wie er im Vorgespräch sagte. Pryzbyl zeigt in Gießen auch bei dieser TanzArt wieder sein neuestes Solo (Karaoke Rebellion).

Das neue TCG-Stück „Die Wirrnis der Pinguine“ steht im starken Kontrast zu den letzten auf der TiL-Studiobühne. Es erfreut nicht wie das lebensfrohe „Siddharta“ oder das traumverlorene „Sleepwalker“, sondern zeigt eine ernste Atmosphäre und fast beängstigende Nähe zu den Umweltkatastrophen unserer Zeit. Pinguine wählte Assam als Allegorie auf Gruppenverhalten, zudem werden sie von Menschen wegen ihres putzigen Aussehens gemocht. Pinguine sind auf dem Land wie im Wasser zuhause, wenn auch mit unterschiedlicher Eleganz. Sie sind also anpassungsfähig, oder doch nicht? Auch sie lassen sich von unerwarteten Ereignissen, Veränderungen in ihrer direkten Umgebung beeindrucken. Eingespielte Verhaltensweisen werden dadurch in Frage gestellt, lang erprobte Regeln des Zusammenlebens sind bedroht. Wie gehen die Einzelnen und die Gruppe damit um?

Das Bühnenbild schuf Thurid Goertz mit wenigen, aber wirkungsvollen Mitteln. Drei von der Decke herabhängende Wände changieren je nach Licht zwischen kaltweißen Hartfaserplatten und warmgelber Stofflichkeit. In ihren Kostümen variiert sie fantasievoll Schwarzweiß-Kombinationen - vom Spitzenröckchen bis zum Kellnerlook. Jedenfalls nachdem die weißen Overalls abgelegt sind, die an die letzte Umwelt- und Atomkatastrophe in Japan erinnern. Die Kälteszenen auf der Bühne wirken unangenehm bis bedrohlich, vor allem die zunehmend lauter fauchenden Nebelrohre. Was die symbolisch in die Luft entlassen, möchte man sich gar nicht vorstellen.

Dazu kommen die teils unheimlichen Musiken, die von wabernden und dröhnenden Soundteppichen dominiert sind. Die Mozart-Arie oder Bobby McFerrins wortlose Gutelaunemusik sind nur Erinnerungen an bessere Zeiten, aber die Gegenwart sieht anders aus. Alles scheint nach dem Prinzip Versuch und Irrtum abzulaufen, Hektik, Panik, Chaos brechen aus. Da gibt es körperliche Gewalt aus der Gruppe gegen Einzelne, das Ignorieren von Hilferufen, den Versuch Liebe zu erzwingen, das blinde Hinterrennen hinter einem entschossenen Führer. Doch vor allem das verzweifelte Ringen um Luft trifft die Nerven der Zuhörenden, fordert aber auch eine enorme zusätzliche Kraft von den fünf Tänzerinnen Caitlin-Rae Crook, Yuki Kobayashi, Jennifer Ruof und Magdalena Stoyanova sowie dem einzigen männlichen Tänzer Sven Krautwurst.

Die eingespielten Videos stellen Fragen: Your life can be toxic. What will you do? oder zeigen Erinnerungen wie den Tanz einer Frau im pinkfarbenen Kleid. Und die netten Pinguine sind natürlich auch zu sehen, ganz kurz.

Weitere Vorstellungen im TiL am 21. Juni und in der nächsten Spielzeit, dann wohl auf der neuen Studiobühne taT.

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