Ein großer Stern fürs Wiener Ballett

Manuel Legris, Wiens neuer Ballettchef ab Herbst 2010, im ersten Interview über Dominique Meyer, Wien, Repertoire und Karriere

Wien, 09/01/2009

Die Nachricht, die der designierte Staatsoperndirektor Dominique Meyer am Donnerstag aussenden ließ, wird Wiens Tänzer freuen und das Publikum mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem attraktiven Spielplan verführen. Manuel Legris (44), so genannter Étoile des Balletts der Pariser Oper (die höchste Position, die ein Tänzer dort einnehmen kann) ist einer der feinsinnigsten und präzisesten Interpreten. Meyer bindet ihn mit einem Fünfjahresvertrag an Wien, der auch die wichtige Leitung der Ballettschule der Staatsoper einschließt. Es ist das erste Mal, dass Legris ein großes Ensemble leiten wird.

„Legris kommt aus der Schule von Rudolf Nurejew, der ihn entdeckt hat. Das ist für Wien nicht unwichtig“, sagt Dominique Meyer. Und nennt ihn den „Garanten für die künftige internationale Ausstrahlung unseres Balletts“.

An der Zusammenlegung der Ensembles von Staats- und Volksoper will er vorerst nichts ändern und meint, dass „zunächst einmal der Inhalt wichtig ist“. Seinem Ballettdirektor zuvorkommend, spricht Meyer die Spielplan-Dramaturgie an: „Ein Ballett wie in Wien soll in allen Bereichen erstklassig sein. Wir brauchen die klassischen Stücke in den besten Fassungen, daneben aber auch die wichtigen Stücke des 20. Jahrhunderts, von den Ballets Russes bis zu Balanchine. Und natürlich auch neue Stücke mit heutigen Choreografen.“

Auch Ministerin Claudia Schmied zeigt sich erfreut über die Bestellung: „Die Zukunft des Wiener Balletts wird einer Persönlichkeit anvertraut, die in der Ballettwelt höchstes Ansehen genießt.“ Als historischen Moment bezeichnet Renato Zanella, Ex-Ballettdirektor der Staatsoper, im Gespräch die Wahl Legris' zum neuen Ballettdirektor: „Chapeau vor Monsieur Meyer. Legris kommt in eine Stadt mit großer Tanz-Tradition, die aber zuletzt kulturpolitisch arg vernachlässigt worden ist. Vieles ist kaputt gegangen.“

Die ehemalige Solotänzerin der Staatsoper, Simona Noja, die sowohl in Wien mit Legris getanzt hat als auch mit seinem kleinen Ensemble „Manuel Legris et ses Etoiles“, meint: „Diese Wahl ist die beste für das Wiener Ballett, auch die beste Entscheidung für Manuel und für das Publikum.“ Gerhard Brunner, Maßstäbe setzender Ballettdirektor der Staatsoper von 1976 bis 1990, der eng mit Nurejew arbeitete und Legris als blutjungen Tänzer in „Raymonda“ nach Wien holte: „Legris kommt aus einer sehr schönen Tradition. Wenn er davon etwas in Wien umsetzen kann, wäre das wunderbar.“

Eine Verlängerung des amtierenden Ballettchefs Gyula Harangozó stand für Meyer nicht zur Diskussion: „Manuel Legris kennt das Wiener Ballett, weil er immer wieder hier gastiert hat. Ich werde ihm die größtmögliche Unterstützung zukommen lassen.“

 

Manuel Legris, Wiens neuer Ballettchef ab Herbst 2010, im ersten Interview über Dominique Meyer, Wien, Repertoire und Karriere

Manuel Legris: „Ich habe es immer sehr genossen, in Wien aufzutreten, und ich verbrachte hier oft eine schöne Zeit.“ Manuel Legris (44), Étoile des Balletts der Pariser Oper und renommierter Gast-Tänzer, wurde am Donnerstag offiziell zum neuen Wiener Ballettdirektor ab der Spielzeit 2010/’11 bestellt. Er erhält einen Fünfjahresvertrag und übernimmt auch die Leitung der Ballettschule.

Redaktion: Hat Legris, dessen Name vor seiner Wiener Bindung in Zusammenhang mit einer künftigen Neubesetzung der Ballettleitung der Pariser Oper gefallen war, sich beworben?

Manuel Legris: „Es war Dominique Meyer (der designierte Staatsoperndirektor, Anm.), der mich kontaktiert hat. Da ich ihn schon aus seiner Zeit an der Pariser Oper kannte, war ich sehr zuversichtlich, dass wir gut zusammenarbeiten können. Außerdem habe ich seit 1996 etliche Vorstellungsreihen mit meinem Tänzer-Ensemble (Manuel Legris et ses Etoiles, Anm.) organisiert. Und da war mir klar geworden, dass der nächste Schritt in meiner Karriere nur in diese Richtung gehen kann.“

Trotzdem Wien nicht als einfacher Boden gilt, zeigt sich der designierte Ballettchef erfreut über die Herausforderung.

Manuel Legris: „Wien hat eine große Tradition und ein großes Ensemble. Für mich ist es der perfekte Zeitpunkt. Ich werde versuchen, meine Kontakte, die ich zu Choreografen habe, zu nutzen und diese nach Wien holen.“

Ob das Wiener Nurejew-Repertoire aufgefrischt wird – Legris war von der Ballettlegende stark gefördert worden – steht noch in den Sternen. Wohl aber hat sich Legris verschiedentlich als „Einstudierer“ großer Werke hervorgetan, zuletzt beim Hamburger Ballett für die Dezember-Premiere von Pierre Lacottes Pariser „La Sylphide“-Produktion.
Ein breites Repertoire hält Legris für „absolut notwendig“:

Manuel Legris: „Das Schwierige an einem Spielplan mit klassischen und zeitgenössischen Werken ist die Umsetzung. Die unterschiedlichen Werke verlangen ganz spezielle körperliche Möglichkeiten und brauchen auch jeweils ein unterschiedliches, adäquates Training.“

Was einzelne Rollen betrifft, meint Legris, dass es keine besseren oder schlechteren gebe.

Manuel Legris: „Es geht nicht darum, ob sie größer oder kleiner sind. Das Spannende daran ist, wie du die Partien ausfüllst und entsprechend platzierst. Aber es ist klar, dass eine interessante Geschichte und eine tolle Bühnenfigur dir Unterstützung geben. Und das Publikum geht dann auch mehr mit dir mit. So habe ich es immer gespürt.“

Wie hat Legris es geschafft, so eine Bandbreite von alten Werken eines Bournonville über Balanchine, Ek, Forsythe bis zur modernen, ganz und gar unklassischen Amerikanerin Trisha Brown zu tanzen?

Manuel Legris: „Ich habe ganz klassisch begonnen. Aber ich war auch sehr offen für neue Choreografien und bereit, neue Erfahrungen zu machen. Ich glaube schon, dass die französische Ballettausbildung eine gute Basis ist, aber die meiste Kraft schöpfe ich aus meiner persönlichen Weiterbildung.“

Im Mai nimmt Legris mit einer Vorstellung des Cranko-Balletts „Onegin“ im Palais Garnier Abschied von der Bühne.

Manuel Legris: „Ja, aber nur als Mitglied der Pariser Oper. Als Gast werde ich weiterhin in Paris tanzen, wahrscheinlich auch in der nächsten Spielzeit und auch anderswo. Aber mit dem heutigen Tag nehmen meine Vorbereitungen für Wien den zentralen Stellenwert in meinem Leben ein.“

Die Frage, ob er in Wien auch wieder auf der Bühne stehen wird, beantwortet Manuel Legris noch nicht. Zuletzt gastierte er im Rahmen der großen ImPulsTanz-Gala letzten Sommer im Burgtheater mit Laetitia Pujol und tanzte zwei Ausschnitte aus Angelin Preljocajs Ballett „Le Parc“.
 

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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