Ein neues Solo von Henrietta Horn

„Treibschatten“ in den Flottmann Hallen Herne

Herne, 01/12/2009

Henrietta Horn privat? Die Hände in den Hosentaschen, tritt sie jedenfalls vor ihr Publikum. Lange Zeit verharrt sie unbeweglich, Auge um Auge mit ihrem Gegenüber. Und wie bei einem Blick in einen imaginären Spiegel scheint sich die Tänzerin zu fragen: Wer bin ich eigentlich? Was suche ich hier? Und wo positionieren mich meine Zuschauer? Schachbrettartig hat Reinhard Hubert seine Lämpchen über die Bühne gehängt, und wie in „Schimmer“, dem nachfolgenden Stück Tanz, spielt das Lichtdesign eine nicht unwesentliche Rolle. „Treibschatten“ hat die langjährige Chefin des Folkwang Tanzstudios ihre Uraufführung genannt – und ganz dem Titel entsprechend scheint das Licht am Ende seinen Schatten zu vertreiben. Ja, man könnte sogar den Eindruck haben, als drohte die Solistin im Schatten zu verschwinden.

Doch davon kann natürlich keine Rede sein, auch wenn der permanente Kleiderwechsel in „Schimmer“ als eine kaum verbrämte Standortbestimmung gedeutet werden kann. Henrietta Horn hat sich längst gefunden; nicht zuletzt ihr “Solo” ist “eine perfekte, vor Spannung vibrierende Studie der Einsamkeit” (so Jochen Schmidt), die nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat.

Zehn Jahre nach der Uraufführung hat sich an der Ausgangssituation ihrer Arbeit nichts grundsätzlich geändert: Nach wie vor ist Henrietta Horn mit sich allein, und die kritische, aber keineswegs humorlose Hinterfragung ihrer Kunst entwickelt sich zu einer Obsession, die immer wieder neue Form gewinnt. In „Schimmer“ bestimmt nicht nur die Kleidung, sondern die Farbe das Bewegungskonzept; in „Treibschatten“ ist es der Tanz selbst, der sich Bahn bricht. Immer wieder setzt er an. Immer wieder verändert er sich im Viereck des Raums. Immer wieder scheint er sich so zu verselbstständigen, dass die Beine nicht mehr dem Willen der Tänzerin gehorchen wollen. Wie eine Getriebene unterwirft sich Henrietta Horn lange Zeit dem Gesetz, wonach sie angetreten. Und wenn sie auch keine roten Schuhe trägt, sondern Socken, gehört am Schluss viel Kraft dazu, sich des eigenen Körpers wieder handgreiflich zu bemächtigen – und dem „Treibschatten“ nach zwanzig Minuten ein Ende zu bereiten. Henrietta Horn hat sie, und das lässt für ihre Zukunft noch einiges erwarten.

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