Deutschland sucht den Superchoreografen

Beim Choreografenabend Dans_Art des Kieler Balletts machte man sich auf die Suche nach Talenten. Und wurde fündig.

Kiel, 13/01/2009

Ein bisschen Casting-Show ist immer mit dabei, wenn die Ballettensembles zu Choreografenabenden einladen. Tänzer aus den eigenen Reihen versuchen sich dabei als kreative Gestalter und dazwischen streut man noch einige Gäste, die ebenfalls als Newcomer gelten, allerdings über etwas mehr Erfahrung verfügen und meist die erfolgversprechenderen Arbeiten mitbringen. Das Publikum spielt dabei Jury, stets hoffend zu erleben wie ein neuer Stern am Choreografenhimmel aufgeht. Tatsächlich entdeckte man beim neunten Dans_Art Abend im Kieler Schauspielhaus einige überraschende Talente. Unter dem Überbegriff „Endlichkeit“ wurden neun sehr unterschiedliche Werke gezeigt und die Ensemblemitglieder des Kieler Balletts standen dabei den Gastchoreografen in nichts nach. Clébio Oliveira lieferte als Gast mit „Something is ending – something is beginning“ die innovativste und interessanteste Arbeit des Abends, bei der er seine ganz eigene Bewegungssprache geschickt mit unterschiedlichen Klängen in Szene setzte. Zu puren Beats, einem rauschenden Radio oder spanischer Gitarrenmusik bewegten sich die Tänzer wie fremdartige Wesen über die Bühne. Dagegen blieben die Gäste Carlos Cortizo und Magali Sander-Fett etwas blass. In „Limit“ wurde mehr gerannt als getanzt. Und die politische Botschaft, die die beiden Tänzerinnen in Tarnanzügen und mit bunten Wasserpistolen vermitteln sollten, verlor sich dabei auch irgendwo im Nirgendwo.

Für eine besondere Überraschung sorgten zwei Tänzer aus dem Ensemble des Kieler Balletts. Tenald Zace und Oliver Preiß haben zwei sehr unterschiedliche Tanz-Duette geschaffen, die beide in sich so stimmig und vollkommen waren, dass man kaum glauben mag, dass die Beiden erst zum zweiten Mal für Dans_Art choreografiert haben. Oliver Preiß hat mit „Once“ ein wunderschönes melancholisches Stück über die Liebe und die Sehnsucht kreiert, das wirklich berührte. Dagegen agierten die Tänzer im Stück von Tenald Zace spielerisch und komisch. In „Cogli la prima mela“ dreht sich, wie der Titel schon verrät, alles um einen Apfel. Ganz nach dem Motto „was sich liebt, das neckt sich“ versuchten die Tänzer José Martinez Grau und Ayumi Sagawa in raschem Tempo dem jeweils anderen einen Apfel abzuluchsen. Dabei passiert, was José Martinez Grau bei seiner eigenen Choreografie an diesem Abend leider nicht gelungen ist: eine tänzerischer Flirt entspinnt sich. Als Einziger hatte er einen klassischen Ballett-Pas de Deux geschaffen und sich bei dem Versuch möglichst viele virtuose Posen, Sprünge und Hebefiguren einzubauen offensichtlich übernommen. Am Ende wirkten beide Tänzer so angestrengt, dass sie weder die Schritte sauber ausführen konnten noch Raum für eine „Romanze“ blieb, wie es der Titel angekündigt hatte.

Die komischen Stücke waren es dann am Ende auch, die an diesem Abend besonders begeisterten. Die Kieler Solistin Tina Slabon stellte in „Gesichtspunkte“ fünf Clowns mit roten Schaumstoffnasen auf die Bühne, die tollpatschig, mit hochgezogenen Schultern und eingeknickten Hüften über die Bühne wackelten. Dabei blieb die clowneske Choreografie jedoch stets tänzerisch und zeigte mit hohen und weiten Sprüngen auch das Potential der Kieler Kompanie. Im Kontrast zu dieser eher „leisen“ Komik wurde im Abschlussstück von Silvana Schröder dick aufgetragen. Die Gastchoreografin, die inzwischen schon zum Stammgast beim Kieler Dans_Art geworden ist, hat für „Hey Ya“ tief in die Requisitenkiste gegriffen. Drei Tänzer mit Cowboyhüten, übergroßen Brillen und kuriosen Karo-Outfits tanzten mit und um ihre Mikrophonständer zu Popmusik von Outcast. Das satirische Spiel mit mediengehypten Musikgruppen wurde durch den übermäßigen Einsatz von Kunstnebel und Fotoblitzen immer weiter voran getrieben. Zum Finale segelte eine Unmenge Glitzerschnee über die Tänzer auf die Bühne. Das war nicht besonders anspruchsvoll aber unterhaltsam. Eine neue Art der Tanzperformance, die man vielleicht als Pop-Comedy-Ballett bezeichnen könnte. Das Kieler Publikum jedenfalls hätte sich keinen schöneren „Rausschmeißer“ wünschen können und belohnte die Choreografin mit begeistertem Applaus.

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