Statt tanzsüchtigem Belcanto eher stotternde Maldanza

Der neue Ballettabend mit Balanchine und Bigonzetti

oe
Dortmund, 29/02/2008

Vierhundert Kilometer angereist zur zweiten Vorstellung des neuen Dortmunder Ballettabends, animiert durch die Begeisterungsausbrüche der lokalen Kollegen. Das Haus an diesem Freitagabend gut besucht, aber viele leere Plätze. Die Publikumszustimmung ist einhellig. Meine Begeisterung hält sich in engen Grenzen.

Ambitioniert ist er, der Dortmunder Ballettchef Xing Peng Wang (seit 2003). Hat für diesen Abend immerhin das Plazet der Balanchine Foundation für Balanchines „Who Cares“ aus dem Jahr 1970 erhalten, einstudiert von Nanette Glushak. Dabei handelt sich´s um Balanchines Gershwin-Huldigung an den Broadway Musicaltanz der Siebziger. Klassisch grundiert vor der Manhattan Skyline Dorin Gals, deren langgestreckte Testakeln mich an die Sargdeckel der Opfer vom 11. September erinnern (hinterher erfahre ich, dass die Klaviertasten der Gershwin-Songs gemeint sind). Kostümflitter à la Karinska (ebenfalls von Gal). Die obligatorischen Jazz-Synkopen auch in der Choreografie, doch Fred Astaire und Ginger Rodgers würden die ehrenhaften Anstrengungen der tanzenden Borussen wohl eher müde lächelnd registrieren.

In Balanchines „Complete Stories of the Great Ballets“ als ein Champagner-gespritzter trockener Martini annonciert, wirken hier eher wie ein Dornkat aus der Destille unter dem großen U. Ob dergleichen wohl in New York als Semester-Abschlusseinstudierung an der High-School of Performing Arts durchgehen würde? Übrigens nennt der Personenzettel weder die einzelnen Gershwin-Titel noch den Namen ihres Orchesterarrangeurs – ach nicht im zweiten Teil die zugrundeliegenden Rossini-Piecen von Bruno Moretti (und auch nicht die verwendeten Einspielungen). Ach, Rossini! Wie´s einem doch sogleich in den Füßen zuckt, denkt man an Rossini-Respighis „Boutique fantasque“ oder an die Rossini-Arrangements von Benjamin Britten (deren Titel mir entfallen ist – der Fluch dieser mitternächtlichen oe-Elaborate aus fernen Hotelzimmern). Doch Signor Moretti scheint sich perverser Weise hauptsächlich auf ein paar ausgesprochen untänzerische Rossini-Stücke kapriziert zu haben und gönnt uns erst ganz am Schluss den eskalierenden Drive der „Gazza ladra“-Ouvertüre (und nicht das geringste Zitat aus der elektrisierenden „Wilhem Tell“-Ouvertüre).

Und genauso sperrig und widerborstig gibt sich die Choreografie von Bigonzettis „Rossini Cards“. Eine Choreografie, die ständig von Schluckauf-Beschwerden fragmentarisiert wird. Mit zwei Ausnahmen: dem Gag des von der Rampe in den Orchestergraben hechtenden Mark Radjapov – dem im Finale alle Kompaniemitglieder nacheifern – und eine Tafelrunde aller beteiligten achtzehn Dortmunder Tänzer, die Rossinis Melodien im Maldanza-Staccato zerhacken und wie Spielautomaten gestisch nachbuchstabieren. Die „Weltstar-Qualitäten“ des so ambitionierten Dortmunder Balletts unter Xin Peng Wang müssen mir wohl entgangen sein. Keine Furcht also – einstweilen – vor der Chinesen-Attacke, zu der Peking rund um den Erdball angesetzt hat.

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