Das Loch zwischen Oper und dem Tanzquartier

Demnächst soll die Entscheidung fallen, ob Sigrid Gareis, seit sieben Jahren Leiterin des Tanzquartiers, ein weiteres Mal verlängert wird oder nicht. Ihr Vertrag läuft derzeit bis 2009

Wien, 26/01/2008

Demnächst soll die Entscheidung fallen, ob Sigrid Gareis, seit sieben Jahren Leiterin des Tanzquartiers, ein weiteres Mal verlängert wird oder nicht. Ihr Vertrag läuft derzeit bis 2009. Noch nicht bekannt ist die Ballettleitung, die Dominique Meyer, der designierte Intendant der Staatsoper, ab 2010 einsetzen wird.

Im Gespräch ortet Bernd R. Bienert, 46, ehemaliger Ballettdirektor der Zürcher Oper und in der freien Szene tätig, in Wien vor allem ein großes künstlerisches Loch zwischen dem „experimentellen Tanzquartier und dem veralteten Staatsopernballett“: „Der wichtigste Teil fehlt, nämlich der zeitgemäß tänzerische. Den sehe ich in Wien gar nicht.“

Bienert meint, dass durch kulturpolitische Entscheidungen Publikum weggebrochen ist. „Zu einer verantwortungsbewussten Führung unseres Tanzhauses und der österreichischen Tanzlandschaft gehört, dass entgegengesetzte ästhetische Sicht- und Produktionsweisen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“

Bienert, der u.a. für die Fußball-EURO ein „Led Walls“-Projekt vorbereitet, wünscht sich ein Miteinander von Tanz- und Performanceformen und kein vom Tanzquartier verordnetes Ästhetik-Monopol. „Die Vielfalt spiegelt doch unsere Gesellschaft wider.“ Diesen Weitblick vermisst Bienert sowohl bei Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny als auch bei Kulturministerin Claudia Schmied.

Bienert: „Es müsste ein Bewusstsein bei den entscheidenden Gremien geschaffen werden, dass der Tanz viele förderungswürdige Gesichter hat. Wer den performativen Tanz nicht bedienen will, hat keine Chance auf Förderung.“ Es geht ihm weniger um die Höhe der Subventionen. Aber: „Die Gelder müssten in erster Linie der Eigenproduktivität zur Verfügung gestellt werden, nachrangig den Gastspielen.“

An die Staatsoper gehört, so Bienert, „Ballett auf bestem Niveau, das sich auch Neuem öffnet.“ 

 

Kommentar: Tanz um die Macht 

In der Wiener Tanz- und Performanceszene geht es derzeit wild zu. Die Einen fordern eine zeitgerechte Neuausschreibung der Tanzquartier-Intendanz. Das ist legitim. Die Anderen befürworten heftig ein Bleiben der aktuellen Leitung. Das ist verständlich, könnten doch unter neuer Direktion Aufträge an seit Jahren eng mit dem Tanzquartier verbundenen Künstlern ausbleiben.
Dazwischen schwelt die Auseinandersetzung, ob der zeitgenössische Tanz in der Programmierung des Tanzquartiers nicht zu Gunsten der Performance vernachlässigt wird. Sigrid Gareis hat das Tanzquartier zwar international positioniert, so, wie es die gängig gewordenen europäischen Marktmechanismen verlangen. Sie hat aber auch das zum Hauptprogramm gemacht, was vergleichbare Häuser als Rahmen anbieten und zeigt somit nur einen Ausschnitt des Geschehens. Da das Tanzquartier aber mit 2,9 Millionen Euro Subvention die höchst dotierte Tanz-Einrichtung der Stadt ist, obliegt der jeweiligen Leitung naturgemäß eine besondere Verantwortung. Wo das Geld ist, ist auch die Macht beheimatet. Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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