Romeo und Julia proben die Liebe

Marguerite Donlon mit ihrer Saarbrücker Truppe bei der herbstlichen Ballett-Stagione

oe
Heilbronn, 16/10/2008

Irischer Tanz – war da mal was? Ach ja, Michael Flatley und seine Riverdance-Stepper. Und sonst? Immerhin Ninette de Valois, die Ahnfrau des britischen Balletts. Und heute? Heißt Irlands Tanz-Botschafterin Marguerite Donlon, Jahrgang 1969, und ist nach ihren Tänzerinjahren beim englischen National Ballet und an der Deutschen Oper Berlin seit 2001/02 Ballettchefin in Saarbrücken, wo sie nicht erst seit ihrer „Romeo und Julia“-Produktion vor anderthalb Jahren für überlokale Aufmerksamkeit sorgt. So dass sie zur diesjährigen herbstlichen Ballett-Stagione in die Käthchen-Stadt eingeladen wurde – mitsamt ihrer zweiunddreißigbeinigen Tänzertruppe. Eine deutsche Kompanie? Mitnichten, wie nach der Liste ihrer Mitglieder zu schließen ist. Dafür viel fernöstlich anmutende Namen. Ach, wenn es doch mit der Migranten-Integrationspolitik im allgemeinen bei uns so klappte wie bei unseren Ballettkompanien, und wie es die reingeschmeckten Saarländer an diesem Abend so überzeugend demonstrierten.

Nichts Irisch-Keltisches bei der Kompanie aus den Peter-Müller- und Oskar-Lafontaine-Landen. Auch nichts spezifisch Veronesisches – eher lassen die farbbunten Bühnenbildner und vor allem die Masken von Cécile Bouchier und Markus Maas auf ein fiktives Venedig als Spielort schließen. Und schon gar nichts Pathetisch-Sowjetisches, wie es aus den Lautsprechern dröhnt. Von Renaissance und italienischen Geschlechterkämpfen auch nicht die Spur. Auch keine rivalisierenden Familienclans und schon gar keine einander bekämpfenden Banden (wie etwa in der nach wie vor modellhaften „West Side Story“). Dafür viel Jugend, die nicht recht weiß, wohin mit ihren überschwappenden Kräften: man neckt sich, rempelt sich an, rüpelt sich durch die Gegend, misst seinen Bizeps, das kann auch schon mal gefährlich und sogar tödlich enden, dann wieder schägt‘s in Petting um, entdeckt man erwachende Liebesgefühle, schaukelt sich in den siebten Himmel – pubertiert also, was der Körper hergibt.

Da hat sich offenbar nicht viel geändert seit den Tagen der „star-crossed lovers“ in Verona – nicht in Dublin, nicht in Seoul und auch nicht in Saarbrücken. Und so jagt Donlon ihre Tänzerinnen und Tänzer auf flacher Sohle und halber Spitze in jenem globalen Esperanto aus verwässerter Klassik und allen denkbar zeitgenössischen Bewegungsformen zwischen Donald Duck und Eiskunstlauf durch die Szenen dieses Tanz-Cartoons, der das Original clever verschlankt und verjüngt: Shakespeare/Prokofjew light, tänzerisches Fastfood à la MacDonlon, gewürzt mit ein paar aus dem Fernen Osten importierten exotischen Spezereien wie einem weiblichen Tybalt, der/die den Mercutio mit dem Fächer tötet. Zierlich wie eine japanische Geisha – und dabei doch auch recht kratzbürstig, wie sie dem ungeliebten Grafen Paris in die Hand beißt – die Julia der koreanischen Youn Hui Jeon, ein smarter Japaner aus dem Tokyo von heute, Takayuki Shiraishi als Romeo mit seinen Kumpels Nigel Campbell als Mercutio und Xianghui Zeng als Benvolio: wie gesagt, eine gut anzusehende Truppe aus aller Herren Länder – und ein Gewinn für Heilbronn und seine Tanzpolitik des Imports externer Kompanien, die den Abonnenten seit nunmehr über einem Jahrzehnt einen abwechslungsreichen Überblick über die so unterschiedliche Tanzszene der verschiedenen Kontinente ermöglichen.

Kommentare

Noch keine Beiträge