Heute auf arte

Robyn Orlin, eine Choreografin auf dem Weg von Johannesburg nach Paris

Berlin, 16/06/2008

Die bezeichnendste Szene findet sich gleich zu Beginn, wenn die Finger der Tänzer und Tänzerinnen wie Käfer gleichsam von einem zum anderen krabbeln. Der Vater Robyn Orlins zeigt sich denn auch davon tief beeindruckt und fragt: „Ist das Ballett?... Die Bewegungen gefallen mir wirklich sehr gut”. „Die haben sich die Tänzer einfallen lassen”, gesteht die Choreografin. „Und was hast Du dabei gemacht?” Robyn Orlin: „Alles, Dad. Das war meine Idee. Philippe hat gefilmt, aber ich habe die Choreografie und Regie gemacht.” Schmunzelnd meint der Vater nach der Video-Sitzung: „Das kannst Du doch gar nicht!”

Und ob sie das kann! Robyn Orlin inszeniert 2007 am Palais Garnier „L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato” von Georg Friedrich Händel, und der Werkstattbericht von Philippe Lainé und Stephanie Magnant dokumentiert, wie sie das tut: von Johannesburg nach Paris springend, vom heimischen Herd mitten hinein in einen künstlerischen Kosmos, dem die Choreografin aus Südafrika zunächst mit der Arroganz einer Außenstehenden begegnet. Das kann nicht gut gehen, und es geht nicht immer gut. Wer einem Star wie Marie-Agnes Gillot gleichsam unterstellt, sich hinter seinen Ballettschuhen zu verstecken, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich am Ende in der Ballettproduktion der Pariser Opéra kein einziger Étoile wiederfindet – Nicholas Le Riche ausgenommen, der vor nichts zurückschreckt, ob es sich nun um einen kitschigen Märchenfilm à la „Aurore” handelt oder um ein vermeintliches Highlight wie dieser „Händel”.

Robyn Orlin erklärt den Tänzern die Welt, und wenn man es genau nimmt, behandelt sie ihre Ko-Choreografen wie unmündige Menschen, die sie auf ihre Weise „kolonialisiert”: eigentlich erstaunlich angesichts der Tatsache, dass sie in Stücken wie „Daddy, I’ve Seen this Piece Six Times Before but I Still Don’t Know Why they are Hurting Each Other” gegen politische Ignoranz und Apartheid ankämpft. Davon ist auch in dem Feature ihres Mitarbeiters Philippe Lainé noch viel zu spüren, wenn sie nicht ohne Ironie dem „Seperatismus” südafrikanischer Enten nachspürt oder im geschlossenen Wagen die Gefahrenzonen ihrer eigenen Vergangenheit durchquert. Aber sobald die Wahl-Berlinerin fremdes Terrain betritt (wie beispielsweise das der Pariser Opéra) legt sie lächelnd eine Überheblichkeit an den Tag, die etwas Unerträgliches hat und einen sonst so souveränen Solisten wie Yann Bridard schier zur Verzweiflung treibt. „Ich verschließe mich”, kommentiert er schließlich das eigene Versagen. Robyn Orlin bleibt nichts anderes übrig, als dem Kamerateam abzuwinken. Der Rest ist Schweigen.

Dass Robyn Orlin etwas zu sagen hat, merkt man spätestens dann, wenn sie zwischendurch wieder mit südafrikanischen Schülern oder Tänzern arbeitet. Aber sobald sie ein „Ballett” choreografiert, das möglicherweise das Gefallen ihres Vaters findet, fällt sie hinter ihre eigene Originalität zurück und macht aus schönen Schwänen doch wieder bloß ein paar hässliche Entlein – oder sind’s am Ende gar sterbende Schafe?

Heute 22:45 Uhr auf Arte; Wiederholung am 23. Juni um 9.50 Uhr

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