Die getanzten Rosen

Staatsballett Istanbul mit seinem Stück „Rosengarten“ in der Bonner Oper

Bonn, 23/06/2008

Mit opulenten Bildern und einem Farbenrausch von Kostümen und Lichteffekten breitet das Staatsballett Istanbul mit seinem Stück „Rosengarten“ in der Bonner Oper ein Sittengemälde des Orients aus.

Abendstimmung auf dem Bazar, leise spielt ein Sufi-Orchester, gedämpftes Licht über altem Gemäuer, man glaubt, den Duft exotischer Hölzer wahrzunehmen. Eine Frauengruppe formiert sich, beginnt vor diesem antik anmutenden Ambiente einen zeitgenössisch-modernen Tanz; Paare lösen sich ab, gliedern sich wieder ein.
Dann folgen die Männer. Im Stil der Martial Arts messen sie tänzerisch ihre Kräfte, gesellen sich danach zu den Frauen. Die Sufi-Musik steigert sich; wo bisher Cello und Rohrflöte schmeichelten, bestimmt jetzt die Rahmentrommel den Takt. Mit opulenten Bildern und einem Farbenrausch von Kostümen und Lichteffekten breitet das Staatsballett Istanbul mit seinem Stück „Rosengarten“ in der Bonner Oper ein Sittengemälde des Orients aus. Als Rosengarten versteht auch Beyhan Murphy, künstlerische Leiterin des Ensembles, diesen Ballettabend.

Wie einzeln gepflückte Rosen wirken ihre Tanzepisoden, mit denen sie Einblicke in türkische Sitten und Gebräuche, in mystische Hintergründe und spirituelle Traditionen gibt. Gekonnt verknüpft die Choreografin damit Vergangenheit und Gegenwart. So lassen sich Dorfszenen neben Serail-Szenen, lassen sich die Edlen Istanbuls des 18. Jahrhunderts neben eine Parodie auf den anatolischen Bauer in der Großstadt stellen, oder der Liebeszauber eines Pas de deux neben spirituelle Sufi-Tänze.

Und erstaunlicherweise wirkt keine Szene deplatziert. Das liegt an der Faszination der mystischen Seiten der Sufi-Spiritualität, vor allem aber an der großartigen Sufi-Komposition von Mercan Dede, die die Szenen begleitet. Wie in seiner Musik orientalische Klänge auf Techno-Sound treffen, so verbinden sich in der Choreografie klassischer und zeitgenössischer Tanz mit traditionellen Elementen; und das heißt: mit viel folkloristischer Darstellung. Und doch überrascht es, wie diese Elemente sich zu einer geglückten Melange finden und damit nicht nur einen anspruchsvollen, sondern auch unterhaltsamen Abend sichern.

Schließlich passt dieses Sittengemälde ganz hervorragend zum Biennale-Thema „Bosporus 2008“. Hier, am Bosporus, verbinden sich der europäische und der asiatische Teil Istanbuls miteinander, begegnen sich Abendland und Morgenland. Beyhan Murphy wagt einen choreografischen Blick in die Zeit und verbindet auf den ersten Blick Unvereinbares miteinander: Gelebte Tradition und Teilhabe an der Moderne. Dass ihre ästhetisierende Tanzdarstellung auch stereotype Sichtweisen gegenüber dem Orient befördern kann, die letztlich den Blick auf die moderne Türkei behindern, scheint sie in Kauf zu nehmen.

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