Dadaistische Bewegungsspiele

Die Uraufführung von „Yes, we can’t“ von William Forsythe im Festspielhaus Hellerau

Dresden, 07/03/2008

Erst zwei Tage vor der Uraufführung stand der Titel für die neue Produktion von William Forsythe fest: „Yes, we can’t“. In diesem Satz steckt Bejahung und Verneinung zugleich und damit die ganze Widersprüchlichkeit, die Forsythe seiner Kunstform, dem Tanz, entgegenbringt: einerseits den Tanz – immer noch – zu bejahen, andererseits die „Gesetze“ oder „Erfordernisse“, die damit zusammenhängen, zu verneinen (z.B. lange keinen Titel für ein Stück festlegen, u.a.). In dieser Verneinung liegt eine gewisse Hermetik, etwas Kryptisches, auch Geheimnistuerisches, das sich wiederum in der Ratlosigkeit spiegelt, die man empfindet, wenn man die neue Produktion gesehen hat.

Ein Tänzer rennt über die leere Bühne auf drei Mikrophone zu (neben einem kleinen Teppichviereck die einzigen Requisiten in dem großen, von kaltem Deckenlicht beleuchteten, kahlen Raum). Er hackt, stottert, stammelt Lautfetzen ins Mikrophon, bewegt sich dazu im typisch Forsythe’schen Bewegungsduktus: verwrungene, isolierte Bewegungen des Torsos und der Extremitäten – eine Mischung aus Stimm- und Bewegungsübung, symptomatisch für diesen Abend. Die verschiedenen Solo-, Duett- oder Gruppenaktionen sind kaum entschlüsselbar, erinnern eher an dadaistische Laut– oder auch Bewegungsspiele; atmosphärisch allerdings evozieren sie eher Gefühle wie Isolation, Einsamkeit, manchmal auch Gewalttätigkeit.

Die Atmosphäre des Unzugänglichen, Hermetischen speist sich aus dem Eindruck, hier ginge es gar nicht mehr um Zusammenhänge. Nichts fügt sich zu „Sinn“ oder einem „Thema“ zusammen. Sprache und Tanz bleiben nicht nur fragmentarisch, sondern auch kryptisch, (ohne dass der Tanz wiederum ein rein abstrakter Tanz wäre) und sollen in ihrer Bedeutung verborgen bleiben. „Yes, we can’t“ ist ein rätselhaftes Stück, es lädt nicht ein zur Interpretation und eben diese Undeutbarkeit hinterlässt etwas Unheimliches, auch Groteskes.

Was allerdings gleichermaßen bleibt, ist Begeisterung und Bewunderung der sehr speziellen, unkonventionellen und reichen Bewegungssprache Forsythes (die vor allem mit der Vermeidung von Linien und fixierten Positionen des Körpers arbeitet) sowie der großartigen Fähigkeiten seiner Tänzer.


Elisabeth Nehring im Gespräch mit Jürgen Liebing am 05.03.08 in FAZIT, Deutschland Radio Kultur.

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