Etikettenschwindel

„Aurora“ vom GöteborgsOperans Balett

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Luswigsburg, 14/01/2007

Auch abseits von Schloss Gripsholm träumen sie von Prinzessinnen und Prinzen, von Feen und Hexen – und gar in ihren kurzen Sommernächten, lassen sie, alkoholbeschwingt, ihrer Phantasie ihren Lauf. Und was drinnen im Schloss das Fräulein Julie mit ihrem Kammerdiener Jean treibt, das praktizieren die Kohlbauern und Tagelöhner in der freien Natur. Und so hat Meryl Tankard, ehemals Solistin bei Pina Bausch in Wuppertal und vielversprechende Tanztheaterfrau aus Australien, ihre „Dornröschen“-Produktion fürs GötenborgsOperans Balett zwischen den Gemüsefeldern und Kohlrabatten gleich um die Ecke vom Schloss angesiedelt. Dort tanzen sie, die allesamt zum Gefolge von Crankos Petrucchio-Dienerschaft zu gehören scheinen, sich die Seelen aus ihren ausgemergelten Leibern, als steppende männliche Feen, sozusagen Feeriche, als Tölpel, Halb- und Vollidioten, mit allen möglichen Macken geschlagen, später dann auch als Schattenfiguren, Blinklichter, Feuerschlucker und Luftikusse.

Dazu erklingt Musik von Tschaikowsky und allerlei Populistisches und Folkloristisches. Was man anfangs noch als Comic Strip ganz lustig findet, entlarvt sich bald als öder Klamauk und im zweiten Teil, nach der Pause, als anödendes Divertissement, dessen einzelne Szenen kein Ende zu nehmen scheinen. Da hat Mats Ek mit seinem „Dornröschen“ vom Bahnhof Zoo doch ganz andere märchenhafte Abgründe ausgelotet. Doch mit Perraults Märchen von der „Belle au bois dormant“ hat Meryl Tankards „Aurora“ so viel zu tun wie der sowjetische Panzerkreuzer gleichen Namens, der am 25. Oktober 1917 mit seinem Schuss das Signal zum Sturm auf das Winterpalais gab. Der erste Anwärter als Nominierung für die anödenste Tanzproduktion der laufenden Spielzeit. Den Abonnenten der Ludwigsburger TanzForum-Reihe scheint´s gleichwohl gefallen zu haben.

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