Direkt aus den Designer-Studios an der Côte d'Azur

Jean-Christophe Maillot inszeniert als seine erste Oper Charles Gounods „Faust“

oe
Wiesbaden, 15/04/2007

Nun also, nach Mark Morris und Joachim Schlömer, auch der inzwischen 47jährige Jean-Christophe Maillot, erfolgreicher Choreograf und Chef der Ballets de Monte-Carlo, als Opernregisseur. Wiesbadens Intendant, der ihn so gern als Nachfolger von Ben van Cauwenbergh gehabt hätte, hat ihn eingeladen, seine erste Oper zu inszenieren – und das nicht etwa, wie allgemein üblich, Glucks „Orpheus und Eurydike“ (oder irgendetwas Barockes aus dem Umkreis der Händel oder Rameau), sondern eins der Hauptwerke des französischen romantischen Repertoires, Charles Gounods „Faust“. Wie weiland ein gerade mal 22jähriger junger Spund namens oe, als der sich noch einbildete, unbedingt Opernregisseur werden zu wollen, am Gerhart Hauptmann Theater in Görlitz. Doch während bei ihm das Ballett schon im Vorspiel beteiligt war und auch sonst ständig auf der Bühne herumwuselte, mit dem Höhepunkt des Walpurgisnacht-Bacchanals, bei dem die Feuerwehrleute freiwillig Dienst machten, weil die Ballettchefin als Protagonistin – frei nach dem Vorbild Janine Charrats in der „Abraxas“-Inszenierung an der Städtischen Oper Berlin – mit einem nackten Busen auftrat, ist das Ballett des Hessischen Staatstheaters überhaupt nicht beteiligt, gibt es auf dem Personenzettel keinerlei choreografische Zuweisung, ist die Walpurgisnacht schlicht gestrichen.

Von großer Oper im Gefolge Meyerbeers nicht die Spur! Dafür viel schickes Designer-Theater – nicht gerade von Karl Lagerfeld, sondern im Bühnenbild von Rolf Sachs – das ist der Sohn eines gewissen Gunter S., mit erheblichem symbolistischen Aufwand und knallig leuchtenden Farblicht-Zaubereien (Thomas Märker) in der Prêt-à-porter-Nachfolge von Bob Wilson. Da dominieren die zeichenhaften Gesten und Posen wie von verkehrsregelnden Schupos, Körpertheater also, dekorativ arrangiert, aber seltsam leer (besonders, wenn man daran denkt, wie Wieland Wagner seinerzeit solche erstarrten Haltungen mit Bedeutung auflud). Komischerweise kaum Choreografie – auch nicht in den großen Chorszenen in der Schenke und beim Kirmes-Walzer, das haben wir in üblichen Inszenierungen schon viel tänzerisch animierter gesehen. Es sind die aus dem Schnürboden abgesenkten Objekte – der kristallen funkelnde Juwelen-Schrein –, die den optischen Eindruck bestimmen – und natürlich das riesige Kreuz, das polychrom je nach emotionaler Situation aufglüht.

Allenfalls Frau Marte (Ute Döring) wagt ein paar kokette Tanzschritte. Es ist erst die zweite Vorstellung nach der Premiere am 31. März, doch der französische Generalmusikdirektor des Hauses hat die musikalische Leitung bereits abgegeben, und auch die Sängerin der Margarete ist gegenüber der Premiere ausgewechselt (Manuela Uhl anstelle von Mardi Byars). So bleibt der musikalische Eindruck eher gedämpft: ein angestrengter Faust (Alfred Kim), ein auftrumpfender Mephisto von Christoph Fischesser (doch auch der macht nicht vergessen, dass dies eine der größten Rollen von Schaljapin war), ein schönstimmiger Valentin von Thomas de Vries. Doch wenigstens ist das Haus voll an diesem Sonntagabend – anders als 24 Stunden zuvor in Bonn, die Leute picobello gekleidet, ein durchaus bürgerliches Publikum in dem Prachtbau der k.u.k. Theaterkonfektionäre Fellner und Helmer, der so exakt dem großbürgerlichen Faltenwurf von Gounods Grand Opéra entspricht, dass ich mir eher eine Produktion aus dem Geiste des Palais Garnier gewünscht hätte. Wie wird es wohl auf Stephan Thoss und sein Tanztheater reagieren? Was Maillots Opernambitionen angeht, so fällt es nach diesem Debüt schwer, ihn zu weiteren Unternehmungen zu ermutigen. Da sind wir eher auf das „Romeo und Julia“-Gastspiel seiner Truppe aus Monte-Carlo in der nächsten Woche in Baden-Baden gespannt.

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