Champagnerbeschwipst am Aschermittwoch

„Don Quixote“ zum Ausklang des Karnevals

oe
Zürich, 21/02/2007

Von wegen Aschermittwoch! Nicht so jedenfalls am Zürcher Opernhaus bei der bis in die sichtbehinderten Logen- und Galerieplätze ausverkauften achten Vorstellung des neuen „Don Quixote“. Statt Asche ist an diesem Abend Champagner angesagt. Inzwischen die Hausmarke – aber man weiß ja: die Schweizer haben ihre eigene Weinkultur. Und eine Champagner-Cuvée der Marke Petipa-Gorsky-Spoerli. Die prickelt nicht nur auf der Zunge, sondern kitzelt auch die Füße. „Zürcher Quixotisches“ ist man versucht, sie als tänzerische Analogie zum „Zürcher Gschnetzelten“ zu nennen. Eine Bombenstimmung also, von der Bühne in den Zuschauerraum projiziert, von dort auf die Bühne zurück schwappend und von den Tänzern in elektrisierende Hochspannung transformiert. Die tanzen, als ob sie gerade vom Urlaub in La Mancha zurück seien, wo sie an einem Ferienkurs mit russischen Gastdozenten teilgenommen hätten. Spanier (sogar ein paar echte sind dabei), russisch imprägniert, mit Schweizer Uhrwerkspräzision. Die Ballettversion der Swatch sozusagen, bunt, poppig, lustig, jung und gänzlich sorgenfrei – die tänzerische Fraternité von Martina Hingis und Roger Federer!

Diese wie aus dem Ei gepellten Ensembles: ob nun als Would-be-Toreros oder Caballeros oder als Señoritas, beziehungsweise Zigeunerinnen oder Dulcinea-Doubles alias Dryaden. Wie hübsch sie alle sind – und so ansteckend jung. Dieser tolle Spring-in-die-Luft namens Arman Grigoryan, diese appetitstimulierenden Freundinnen Kitris, die in Wirklichkeit Cintia Decastelli und Evelyne Spagnol heißen, aber die Spagnol ist auch ein entzückend koketter Amor, diese wahrlich royalistische Sophie Benoit als Königin der Dryaden, diese rassigen Roberta Martins und Vahe Martirosyan als Mercedes und Espada – als ob sie tänzerische Geschwister von Carmen und Escamillo seien. Und Dirk Segers – wie genießt er es, aus der Rolle des finsteren Rotbart ausgestiegen und in die des Dandys Don Gamache geschlüpft zu sein.

Ich würde freilich nicht so weit gehen, zu behaupten, dass Filipe Portugal aus Don Quixote einen Wilhelm Tell des Balletts gemacht hat – genau so wenig wie Iker Murillo aus Sancho Pansa einen Schweizer Vetter des Schwejk, aber die beiden hauseigenen Protagonisten Seh Yun Kim und Stanislav Jermakov als Kitri und Basil machten ihre Sache schon sehr gut: sie mit ihrer koreanisch gewürzten Attacke und ihren implantierten Double-Fouettés, er als eleganter Kavalier mit seinen einarmigen Voilà-Lifts gleich im ersten Akt. Welch ein die Sinne kitzelndes Champagner-Vergnügen! Ich muss freilich gestehen, „Don Quixote“ macht mich unweigerlich so an wie eine moussierende Vorstellung von Offenbachs „Vie Parisienne“. Hätte ohne Wenn und Aber auch zum großen Petipa-Summit nach München eingeladen werden können! Wäre sicher interessant gewesen als deutsch-schweizer Alternative zu Münchens Bayerisch-Petersburg-Moskauer Allianz!

 

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