8. Ballett-Gala in Dortmund

Brücken von Europa Ost und West

Dortmund, 20/11/2007

Dass eine Ballettgala mit dem Auftritt politischer Persönlichkeiten auf der Bühne und blumengeschmücktem Rednerpult neben einem Flaggen-Ensemble als „Bühnenbild“ beginnt, ist selten. Bei der VIII. Dortmunder Gala machte der ungewöhnliche Auftakt Sinn. Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemaier begrüßte als Ehrengäste die Vizepräsidenten von Tschechien und der Slowakei sowie die Botschafter und Generalkonsuln beider Länder. Just auf den tschechischen Nationalfeiertag und den 18. Jahrestag der „samtenen“ tschechoslowakischen Revolution fiel die Gala. Ballettdirektor Xin Peng Wang widmete das Programm kurzerhand der Tanz-Elite beider Staaten. Denn „Von Stern zu Stern“ sollten Brücken geschlagen werden, von Tschechien und der Slowakei nach Deutschland und in alle Welt – ein glänzender Coup, um einen schnellen Einblick in die Ballettarbeit der Nationaltheater von Prag, Brno und Bratislava zu gewähren, dazu tschechische und slowakische Künstler zu erleben, die seit langem in Deutschland, Österreich und England tanzen.

Eine geschlagene Stunde (des fünfstündigen „Events“) musste Dortmunds tanzbegeistertes Publikum sich allerdings gedulden, bevor das zwölfteilige Tanzprogramm endlich begann. Reden und Smetanas „Moldau“, musiziert von den Dortmunder Philharmonikern unter Ekhart Wyclik, gingen voraus. Rein klassisch war allein der Pas de deux des schwarzen Schwans mit Rothbart aus „Schwanensee“, wahrhaft galareif präsentiert von Daria Klimentová und Dmitri Gruzdyev vom English National Ballet. Als hervorragende neoklassische Interpreten erwiesen sich vor allem Nikola Márová, Jana Pribylova und Michal Stipa aus Prag und Brno u.a. mit George Balanchines „Tschaikowsky Pas de deux“ und einem weniger aufregenden Pas de deux von Jiři Kyselak aus Kchachaturjans „Spartakus“.

Den Löwenanteil nahm – abgesehen von drei Ausschnitten aus Wangs eigenen Choreografien für seine Dortmunder Kompanie – moderner Tanz ein, auch wenn die klassische Basis und aktuelle westliche Vorbilder fast durchweg deutlich erkennbar waren. Zu den auch hierzulande geschätzten tschechischen Choreografen zählt Prags Ballettdirektor Petr Zuska, dessen wirklich witzige Schwanensee-Persiflage „Marias Traum“ Lach- und Applaussalven auslöste, während seine Gruppenchoreografie mit zwei Solisten als Pendant zum Duo Geige und Klavier in „Sonata“ auf ein Janaček-Kammermusikstück so wenig überzeugt wie Suskas kürzlich vom Rheinopern-Ballett in Düsseldorf erstaufgeführtes „Requiem“ auf Mozarts Totenmesse.

Ähnlich zwiespältig war der Eindruck von Mário Radacovskys „Change“ aus Bratislava. Im ersten Teil erregt ein Corps de ballet den Unmut des Ballettmeisters mit lustlos exerziertem klassischem Drill auf eine Rossini-Ouvertüre. Erst eine Bach-Invention für Klavier als Pas de deux des Ballettmeisters mit seiner Primaballerina rückt die Welt wieder gerade. Ein Kabinettstück besonderer Art bot der drahtige Daniil Simkin von der Staatsoper Wien mit Ben Van Cauwenberghs Choreografie auf den Jacques-Brel-Song „Les Bourgeois“ - für die Dortmunder ein kleiner Vorgeschmack auf die Handschrift des zukünftigen Nachbarn: der Belgier kommt als Nachfolger von Martin Puttke 2008 nach Essen.

Zu den Favoriten und immer wieder besonders gefeierten Stargästen bei den Dortmunder Galas zählen eindeutig die tschechischen Zwillinge Jiři und Otto Bubeníček, deren lange Karriere eng mit John Neumeiers „Hamburgballett“ verknüpft ist. Zusammen mit Jon Vallejo tanzten sie diesmal Jiřis Choreografie „Canon in D-dur“ auf Pachelbels berühmten „Kanon“, der ganz ähnlich wie Hans van Manens „Solo“ auf eine Bachsche Solopartita für Geige beginnt: die drei Tänzer wechseln einander wie bei einem Stafettenlauf ab, um dann schließlich – anders als bei van Manen – gemeinsam, absolut synchron und hinreißend sportiv ohne platte akrobatische Kunststückchen die lange Schlusssequenz „aufs Parkett zu legen“. Im Finale des Abends setzten sie noch eins drauf mit Claude Brumachons „Les Indomptés“, einem staunenswert virtuosen, aber auch anrührend sensiblen Duett. Eine runde Sache war diese Gala und viel spannender als diese ewigen Pas de deux-Perlenketten der meisten dieser Tanzparaden – zur Fortsetzung empfohlen.

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