Weit entfernt von Hollywood und Broadway

Mirko Mahrs „Dancing Movies“ in der Musikalischen Komödie

oe
Leipzig, 03/03/2006

Wieder einmal froh, keine Kritik über die Vorstellung schreiben zu müssen, sondern daran zu erinnern, dass dies ein Journal ist, also eine Art Tagebuch der persönlichen Eindrücke (und, zugegeben, Eitelkeiten)! Ein paar Vorbemerkungen! Seit meinem ersten Amerika-Besuch Mitte der sechziger Jahre und „Hello, Dolly!“ rechne ich mich zu den bekennenden Musical-Fans. Und ins Kino gehe ich schon sehr viel länger leidenschaftlich gern. Da hatte mich Volkmar Draegers Kritik über die „Dancing Movies“ an der Musikalischen Komödie Leipzig (siehe tanznetz.de vom 8. Februar) angemacht, mir die Produktion einmal anzusehen. Und vielleicht ein bisschen was Gutes zu tun für den Choreografen und das Ballett des Hauses (unabhängig vom Ballett der Oper), die Underdogs dieses Metiers, die da Abend für Abend in Operetten, Musicals und Revuen schuften und einmal pro Saison die Gelegenheit haben, sich mit einem eigenen Ballettabend in ein paar Vorstellungen dem Publikum in der Form zu präsentieren, derentwegen sie einst ihren Beruf ergriffen haben.

Hollywood und Broadway-Glamour hatte ich nicht erwartet, auch nicht den glanzkaschierten Profi-Standard unserer Mega-Musicals in Berlin, Hamburg und Stuttgart. Allerdings ein bisschen von jenem Wellness-Gefühl, diesem leichten Vom-Boden-Abheben, getragen von dem Optimismus des „Hier bin ich, was kostet die Welt“! Dass es dazu in Leipzig so ganz und gar nicht kam, liegt nicht zuletzt an mir selbst. Hätte ich Draeger genauer gelesen, wäre ich nicht mit den falschen Erwartungen hingegangen, mit einer Show konfrontiert zu werden, basierend auf den Tanznummern einiger Musicals. Denn darum geht es in diesen „Dancing Movies“ gar nicht, sondern um eine Nummernfolge der Hit-Tunes aus solchen Kassenschlagern wie „Harry Potter“, „Mission: Impossible“, „Forrest Gump“, „Lord of the Rings“, „Jurassic Park“, „Star Trek“, „James Bond 007“, „Gladiator“, „Titanic“ und „Star Wars“ – lauter Filme, in die ich nie gehen würde (well, well: „James Bond“ und „Titanic“ habe ich mir angetan – und es nicht bereut).

Weil ich ahnte, was für eine dröhnende, schmetternde, bombastische, schwülstig-schmalzig aufgedunsene Musik mich da überfluten würde? Ich schwöre: nie in meinem schon reichlich lange währenden Leben habe ich hundert Minuten lang eine so kompakte Menge an schlechter Musik ertragen müssen wie an diesem Abend in Leipzigs Musikalischer Komödie! Draeger hat beschrieben, was dazu auf der Bühne geschieht – aus einer sehr wohlwollenden Perspektive. Ich sah nur den Ausverkauf ein paar beliebiger, gemeinplätziger Einfälle und Anbiederungen und eine entsprechend klischeehaft-routinierte Choreografie – nicht entfernt an die Qualität heranreichend, wie ich sie aus deutschen Aufführungen etwa von „West Side Story“, „Anything Goes“ oder im Berliner Friedrichstadt Palast in Erinnerung habe. Die Musiker und Tänzer tun mir wahrlich leid (noch ganz auf die altmodische Art – und nicht etwa Leid)! Und ich mir selbst auch ein bisschen, denn den Abend hätte ich wahrlich animierender verbringen können! Und so verließ ich die Leipziger Musikalische Komödie ziemlich bedripst, denn ich hätte so gern etwas für Mirko Mahr (den Choreografen) und seine wackeren acht Tänzerinnen und sechs Tänzer getan. Doch es hat nicht sollen sein! Wie schade!

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