„Dancing Movies“ an der Musikalischen Komödie in Leipzig

Ritt durch Hollywoods Soundtracks

Leipzig, 08/02/2006

Er sei stolz auf seine Kompanie, sagt Mirko Mahr, bescheinigt ihr Leistungsfähigkeit. Ein wenig Stolz auf sich selbst klingt da durchaus mit. Seit dieser Spielzeit ist der gebürtige Bautzener Ballettmeister der Musikalischen Komödie in Leipzig. Die Messestadt hat ihm längst Eingeborenenstatus verliehen. Nach fünf Jahren Fachschule für Tanz engagierte ihn Dietmar Seyffert ans Opernballett, dem er zwei Dezennien treu blieb, ab 1988 als Demi-Solist. Die ganze Ära des Uwe Scholz, der Enno Markwart nachgefolgt war, hat der fröhliche Lockenkopf Mahr miterlebt, erinnert sich an gute wie schlechte Zeiten. Sein Übergang zur Musikalischen Komödie vollzog sich in Etappen.

Schon einmal hatte er sich dort beworben. Als Stelleninhaber Hans Wrona erkrankte, bat man Mahr, „Blume von Hawaii“ zu choreografieren - innerhalb von drei Wochen. Der Noch-Tänzer sprang ins hawaiianische Gewässer, erhielt weitere Aufträge: „Rocky Horror Show“ und „Heidi“. Das brachte ihm die Berufung in die Leiterfunktion ein, „von Anfang an mein Traum“.

Zuckerschlecken ist sie nicht, denn die neun Damen und sechs Herren wirken in fast jeder Produktion mit. Und doch hat Mahr bereits in der ersten Saison wahrgemacht, was er und seine Tänzer sich gewünscht haben: einen eigenen Ballettabend zu präsentieren. Lange hat es das dort nicht gegeben.

Was der junge Kapellmeister Stefan Diederich zunächst als Konzert geplant hatte, entwickelte sich so zu einem musikalisch-tänzerischen Ritt durch Hollywoods preisgekrönte Soundtracks: „Dancing Movies“. Für Mahr, nach Erfahrung als Junger Choreograf in Leipzig und Paris, der erste große Ballettabend. Gelernt habe er, wie die meisten seiner Berufskollegen weltweit, die Kunst der Schritterfindung nicht, fühle sich von Scholz‘ Musikalität angeregt, choreografiere „aus dem Bauch“. Als nicht einfach erwies sich indes das Thema. Weder wollte er die Filminhalte bloß tänzerisch illustrieren noch vermochte er sich mit konsequent anderem Konzept gegen die bekannten Geschichten zu stemmen. Mit Jubel, dennoch nicht ohne dramaturgische und choreografische Schwächen flimmerten die Tanzbilder über die Musicalbühne. Dass sie als Zusatzinszenierung in konzertierter Hausaktion und beinah ohne Finanzen entstanden, bleibt hoch anzurechnen.

Schon die Kurtinenprojektion, ein Kinosaal mit dem Stücktitel quer über die Leinwand, stimmt auf das Sujet ein. Hinter der Kurtine quillt am Gerüst aus Aluminiumtraversen Nebel empor, in den sich mutig Harry Potter hineinbegibt. Als er einen zweiten Vorhang wegzaubert, stopfen dort auf Kinobänken Jugendliche Riesenportionen von Popcorn und Cola in sich hinein. Aus diesem Filmbesuch entwickeln sich alle zehn Bilder des Abends. Während „Apollo 13“ Verhaltensweisen lediglich spielerisch skizziert, schildern andere die Emotionen der Teenager auf den Film oder seinen bisweilen schmetternden Klangbombast. So feuert „Mission: Impossible“ sechs Männer zu akrobatischen Rempeleien an, zu „Forrest Gump“ lebt einer von ihnen seine Sehnsucht aus, die sensiblen Bläserpassagen von „Lord of the Rings“ setzen sich als Fortgabe von Bewegungsmotiven in Kreisform um. Mit Flugposen versucht die Gruppe dem „Jurassic Park“ und einer Saurier-Silhouette zu entkommen - ein attraktives Pausenfinale.

Choreografisch Gelungenes enthält besonders der zweite Teil. Manuel Oertel dirigiert da mit Charme und Chic seine sieben Bond-Girls, um als ewiger Pistolero in weißer Sonne zu entschwinden; Hana Schindler und Walid Mahmoud glänzen zu „Gladiator“ so virtuos wie witzig als David und Goliath; Teodora Koeva und Michael Goldhahn enden ihr Liebesduett mit der legendären Standpose aus „Titanic“. Die „Star Wars“-Impression von fünf Sätzen Länge beschließt Harry Potter. Aus den vollgestopften Popcorn-Genießern sind da ängstlich gefallene Helden geworden. Den Spaß an diesen „Dancing Movies“ sieht man der Kompanie an. Dennoch muss sie sich den Erfolg mit dem formidablen Orchester teilen, das sich unter Stefan Diederichs dirigentischem Ungestüm, auch bei „Star Trek“ als tanzfreiem Solo, für die Einspielung des nächsten Soundtracks empfiehlt.

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