Flinkfüßiger Tanz von sinfonisch bis sarkastisch

Gala „Für Uwe Scholz“ in Leipzig

Leipzig, 19/06/2006

Beim Leipziger Ballett wächst zusammen, was zusammengehört. Dies der Eindruck nach der jüngsten, vom Gewandhausorchester unter Rudolf Piehlmayer hochkarätig begleiteten Gala „Für Uwe Scholz“, die an den 2004 verstorbenen Ensembleleiter und Chefchoreografen erinnert. Auch wenn die Broschüre der neuen Spielzeit zahlreiche personelle Wechsel ausweist, darf man doch auf Kontinuität hoffen. Die derzeitige Compagnie, auf 40 Positionen verkleinert, zeigt sich bestens trainiert und den Werken ihres einstigen Direktors gewachsen. Das hätte ihn gefreut. Ob er mit der Zusammenstellung des dreistündigen Programms, das Arbeiten von 1985 bis 1994 vereint, glücklich gewesen wäre, ist eine andere Frage.

Internationales Erbe ist seine Choreografie zu Mozarts „Jeunehomme“-Konzert KV 271. Scholz lauscht der kongenialen Apotheose auf die Musik empfindsame menschliche Miniaturen ab. Nach anfänglichen Unsauberkeiten wuchs die Gruppe zu einer bestechend homogenen Leistung auf, infiziert von Solisten, die noch ganz in der Scholz-Tradition stehen: präsent, feinnervig, technisch souverän Giovanni Di Palma, atemberaubend aufeinander eingestimmt Kiyoko Kimura und Christoph Böhm im zentralen Pas de deux, ihnen künstlerisch auf der Spur Maiko Oishi und Rémy Fichet im Schlusssatz. Dass Ballettdirektor Paul Chalmer mit Stéphanie Gerbal und Mariana Dias zwei Gruppentänzerinnen furios ausstellt, beweist Gespür für Talent.

Künstlerisch ähnliches Format hat die Suite Nr. 2 für zwei Klaviere. Vor Projektionen Kandinskyscher Zeichnungen aus Punkt und Linie spannt Scholz zu Rachmaninows Musik einen vierteiligen, von zwei Trios gerahmten Kosmos flüchtiger Begegnungen auf: mit typisch Scholzschen Umschwüngen, Gliederungen, Hebekaskaden, garniert mit sprühendem Witz. So können sich Fichet und, sehr tänzerisch, Mohamed Youssry, auf ein Miteinander nicht einigen und fliehen nach launigem Walzer vor einer möglichen Beziehung. Am Ende flutschen sie den beiden Trios zwischen den Beinen durch.

Straffungen hätte der dritte, hauptsächlich Exzerpte des „Amerika“-Abends von 1994 aufpolierende Programmblock vertragen: Nicht alles aus Meisterhand ist automatisch meisterhaft. Ob es günstig ist, der angejazzten Neoklassik von wenigen Requisiten skizzierte Pas de deux aus „Dornröschen“ und „Ein Sommernachtstraum“ einzulagern, wie sehenswert die Paare Oishi/Di Palma und besonders Kimura/Youssry sie auch absolvierten, bleibt fraglich. Scholz‘ „Dornröschen“ lebt von der üppigen Pracht seiner Ausstattung, über ein güldenes Schnörkelbett hinaus, und auch dem Nocturne von Titania und ihrem edlen Oberon boten die bis auf die Wände entkleideten Seitenbühnen ein wenig atmosphärisches Ambiente.

Als Blockauftakt der grotesk überzeichnete, von Marina Otto und Christoph Böhm komödiantisch virtuos gestaltete Comicstrip einer amerikanischen Spießerehe zwischen Langeweile, Mordgelüst und Coitus in verplüschtem Wohnzimmer: in einer Gala eher entbehrlich.

Bessere Beispiele für den Humor des Uwe Scholz folgten. So schmachtet zu Whitney Houstons Filmsong „I Will Always Love You“ die junge Marietta Kro beinwerfend und pirouettenselig ihren wartenden Freund emsig doch tatenlos an, bis ihn ihr ein Junge wegschnappt. „Strike Up The Band“, „Preludes For Piano“ und „Rhapsody In Blue“ verwebt Scholz abschließend zu einer überbordend inszenierten Gershwin-Revue mit Seitenhieben auf Hollywood-Kitsch und Amerika-Duselei. Jean-Sébastien Colau als überdrehter Elegant in Hasch-Halluzination erlebt ein Inferno aus herabstürzenden Miss-Piggy-Puppen, die mit leibhaftigen Mickey Mouses tanzen, Liebesverwicklungen mit beiden Geschlechtern vor einem filmischen Pharao-Schinken und unter einem Regen aus Seifenblasen, ehe er im Kreis personifizierter MacDonald‘s zur Reverenz das Knie beugt: vor der Projektion einer Dose mit Campbell‘s Tomatensuppe. Ein tänzerisch anspruchsvoller, wohltemperierter Spaß – auch dies eine Seite des Sinfonikers Scholz.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern