„Die Zauberflöte“ als Tanzdrama

Eine Pamina aus Kambodscha

Wien, 03/11/2006

Dass der künstlerische Tanz nie unpolitisch war, bestätigt ein Blick auf die Geschichte. Selbst wenn einzelne Tänzerinnen sich nicht mit politischem Geschehen befassten, konnte ihre Bühnen-Ästhetik doch als Ausdruck einer bestimmten Zeit gelesen werden.

Als verschlüsseltes Machtinstrument sah wohl das Schreckensregime der Roten Khmer den Höfischen Tanz Kambodschas. 1975 verbot und zerstörte Pol Pot innerhalb von wenigen Tagen eine tausendjährige Tradition, deren Ausführende als Kommunikatoren zwischen dem Göttlichen, Spirituellen und dem Königlichen, Irdischen gesehen worden waren.

Neunzig Prozent der Künstler und Künstlerinnen kamen während Pol Pots Diktatur ums Leben. Seit 1980 ist Kambodscha um kulturellen Wiederaufbau bemüht.

Politisch
Anderen asiatischen Tanzformen in ihrer Komplexität nicht unähnlich, ist der klassische kambodschanische Tanz eine virtuose Zurschaustellung von abstrakten und erzählerischen Elementen. Wenn die 1967 in Pnom Penh geborene Choreografin Sophiline Cheam Shapiro nun Mozarts Oper „Zauberflöte“ mit ihren politischen Erfahrungen anreichert, mag das oft gedeutete Herzstück des Komponisten eine neue Übertragung erfahren.

In „Pamina Devi“ lehnt die Titelfigur extremistische Haltungen ab und sucht nach Kompromissen, die den Menschen als Individuum in seiner Selbstbestimmtheit bestätigen. Die Prinzessin entspricht der Pamina aus der Mozart-Oper. Sie sucht ihren eigenen Weg in einer unberechenbaren und gefährlichen Welt.

Shapiro meint damit durchaus das moderne Kambodscha, das von tiefer Armut, unüberprüfbarer Gerichtsbarkeit und Denkmodellen bestimmt ist, die die Entfaltung des Menschen hemmen. Musikalisch ist Shapiros „Pamina Devi“ traditionellen Arrangements ihrer Heimat verpflichtet, die sie allerdings mit Bambusflöte und Gong konterkariert.

Auch die Texte stammen von der an der Royal University of Fine Arts in Phnom Penh ausgebildeten Tänzerin. Sie werden bei der Uraufführung im Schönbrunner Schlosstheater mit deutschen Übertiteln verständlich gemacht. In der choreografischen Auflösung versucht die viele Jahre in den USA ansässig gewesene Leiterin der Khmer Arts Academy (Long Beach), neue Wege zu gehen.

Als westlicher Besucher wird man sein Auge schärfen müssen, denn bereits der Einsatz asymmetrischer Bodenmuster gilt als drastische Veränderung der Tradition. Asymmetrie bringt die visuelle Harmonie durcheinander. Trotzdem bleibt Shapiros Adaption der „Zauberflöte“ ein Tanzdrama, das traditionell das Göttliche anruft.

Symbol Seit ihrer ersten Choreografie vor sechs Jahren geht es Sophiline Cheam Shapiro in ihren Tanzstücken um die Auseinandersetzung von klassischer Bewegungskunst mit aktuellen Fragen. In „Seasons of Migration“ (2005) etwa kommen Himmelswesen auf die Erde. Shapiro spielt mit diesem Symbolbild auf die Schwierigkeit des Menschen an, sich in einer neuen Umgebung zurecht zu finden. Wie damals arbeitet sie auch nun wieder mit den besten Tänzern und Tänzerinnen ihrer Heimat zusammen. Mit dabei ist Sam Sathya, die die Königin der Nacht darstellt. Wie Shapiro wurde auch sie als Kind durch die Besatzungszeit der Roten Khmer geprägt. Heute ist sie nicht nur die Erste Tänzerin Kambodschas, sondern auch Shapiros bevorzugte Solistin.

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