Tanzen mit dem Tod, oder: „I am an unusual thing“

Neufassung von Xin Peng Wangs „Mozart“

Dortmund, 14/12/2010

In der Neufassung seines „Mozart“-Balletts von 2006 zeigt sich der neue Xin Peng Wang – einer, der sich nach eigenem Bekunden vom traditionellen Handlungsballett so weit entfernt habe, dass er nun allein auf „starke emotionelle Bilder“ setze, „in denen sich Geschichten nicht naturalistisch auf der Bühne erzählen, sondern in den Köpfen und Herzen des Publikums“. Wie war das doch noch in dem Märchen vom Rattenfänger? Dortmunds Publikum folgt dem Magier aus Fernost blindlings ohne wenn und aber, feiert ihn mit stehenden Ovationen. Denn seine Glitzer- und Glamourbilder im Edelambiente von Jérôme Kaplan aus transparenten mobilen Stellwänden und mit stilisierten Rokoko-Kostümen sehen im facettenreichen Farbenkaleidoskop in der Tat sehr schick aus.

Allerdings: der lange Besetzungszettel mit Menschen aus Mozarts ganz realem Leben und seinen Bühnenwerken ist identisch mit der ursprünglichen Choreografie zum 250. Geburtstag von Mozart (2006). Schon damals war es für die Zuschauer mühsam, die auftretenden Personen zu identifizieren und einen roten Faden in der Verquickung von Leben und Werk zu erkennen. Immerhin boten die eingespielten und die am Klavier gespielten Ausschnitte aus Mozart-Kompositionen und das Programmheft (Redaktion/Dramaturgie: Sylvia Roth) mit seinem relativ konkreten „Leitfaden durch den Abend“ einige Orientierungshilfe. Nun gibt es gar eine „Handlung“ vom gern etwas aparten Dramaturgen Christian Baier. Sie erschöpft sich freilich in Zitaten aus Mozartbriefen und der Nennung der Nummern einer mehr als fragwürdigen Collage von Michael-Nyman- und Mozart-Stücken zu Szenen wie „glut“, „feuer“ oder „erinnerungen an den garten eden“.

Welche Tänzer in welchen Rollen (ob Haydn, Figaro, „Noten“ oder wer immer) auftreten, bleibt teilweise rätselhaft, das Konzept von Mensch/Rolle in einigen wenigen, reizvollen Ansätzen - wie etwa Mozarts Vater / Königin der Nacht; Gevatter Tod / Komtur - stecken. Denn hier muss das Genie als Prototyp eines gescheiterten Künstlers, weil unvollkommener Mensch, herhalten. Mark Radjapov stellt ihn mit gespreizten Gliedmaßen und der Aura eines heutigen Megastars dar. Ute Lemper röhrt dazu mit beeindruckendem Stimmumfang Nymans „I am an unusual thing“. Das 2006 noch durchaus präsente lebenslang „infantile“, ordinäre Wunderkind ist eleminiert. Todesahnung, - angst und –nähe greifen Platz in einer temporeichen unterkühlten „Show“. Anrührendes Gefühl zeigt einzig Jelena-Ana Stupar Aloysia als Mozart's erste Liebe und Muse zum „Lacrimosa“ des Requiems. Angenehm geschmeidig stellt sich der junge Eleve Tomoaki Nakanome als Papageno im Duett mit der Königin der Nacht (Luke Forbes) vor. Das Corps de ballet zeigt sich einmal mehr bestens gedrillt für Wangs effektvolle „Bilder“.

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