VanMania

„Portrait Hans van Manen“ beim Bayerischen Staatsballett

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München, 07/02/2005

Neunzehn Van-Manen-Produktionen zählt das Bayerische Staatsballett seit 1973: neunzehn Picassos im Münchner Museum für die Klassiker der Moderne des Balletts. Auch so kann man Repertoirepolitik betreiben! Zeit also, höchste Zeit sogar, nach all den Sonderausstellungen von Balanchine, Kylián, Neumeier, Ek und Forsythe nun auch ein „Portrait Hans van Manen“ folgen zu lassen – mit zwei Neuerwerbungen unter den fünf Piecen des Programms. Doch was soll man auslassen? Die Direktion entschied sich für „Fünf Tangos“, „Two“, „The Old man and Me“, „Solo“ und „Black Cake“. Für Abwechslung war also gesorgt: „VanMania“ sozusagen! Sehr zu Dank der Tänzer.

Die erwiesen sich an diesem Abend durchweg in Topform – von den Etoiles Lucia Lacarra, Lisa-Maree Cullum und Sherelle Charge, Alen Bottaini, Norbert Graf, Kirill Melnikov und Cyril Pierre bis zu den Debütanten. Mit Judith Turos und Ivan Liška tanzten hier immerhin drei Generationen miteinander. Das war, wie wenn in Stuttgart Marcia Haydée und Reid Anderson miteinander aufträten. Fünfmal van Manen also – das heißt: fünf musikalisch-tänzerische Beglückungen – kompetent assistiert vom Bayerischen Staatsorchester unter Myron Romanul (der gewaltige „Fortschritte“ seit seinem Stuttgarter „Dornröschen“, anno 1987, gemacht hat). Van Manen choreografiert ja seine ausgewählten Kompositionen – nicht indem er ihre Noten pedantisch schrittbuchstabiert, sondern indem er sie interpunktiert, pointiert, synkopiert und akzentuiert, indem er ihrem musikalischen Ablauf eine oder mehrere choreografische Stimmen hinzufügt: quasi polymusigrafisch!

Dabei bleibt immer seine choreografische Handschrift erkennbar. Der er immer wieder neue kalligrafische Raffinessen abgewinnt – am auffälligsten in den Stechschritten seines Tango-Balletts (dort auch der Kalifenschritt der beiden Kanonisten Juan Eymar und Norbert Graf) oder im Philemon-und-Baucis-Duo für Turos und Liška. Immer aber sind da die messerscharfen Konturen, die transparenten, gleichsam gläsernen architektonischen Strukturen seiner kristallinischen Formgebilde, sein heißatmiger rhythmischer Drive. Und natürlich die auf Schulterhöhe angewinkelten Arme mit den zentral aufeinander gerichteten Händen, die die Musik gleichsam wie Bogensehnen in den Raum katapultieren.

Schwer zu sagen, was sie denn da tanzen, in diesen Geschichten ohne Worte – oder vielleicht sollte man besser sagen: jenseits der Worte. Fast immer deklamieren sie mit ihren Motionen, ihren Gesten und, nicht zu vergessen, ihren Mienen das Thema „Die Liebe kommt, die Liebe geht“. Ob nun Lucia Lacarra als eiskalt feuerdurchglühte Tango Queen von Buenos Aires oder Alen Bottaini als gockelhafter Macho, ob Lisa-Maree Cullum und Erkan Kurt als melancholische Loner-Loser, ob Turos und Liška als alt gewordene Martin-Walser-Kämpen, ob Ryan Ocampo, Wlademir Faccioni und Lukas Slavicky als eineiige Drillinge, die beweisen sollen „Anything you can do“, oder der hinreißend charmant beschwipste Cyril Pierre, der dem überkandidelten „Black Cake“ jenen Schuss Champagner der Edelmarke Dom Perignon beimischt. Also auf zur Sonderausstellung der „VanMania“ im Münchner Nationaltheater (könnten wir übrigens auch in Stuttgart haben)!

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