Im Garten der Liebe

Die Wiederaufnahme von Angelin Preljocajs „Le Parc“ im Palais Garnier

Paris, 26/09/2005

Es ist einer der schönsten Pas de Deux des modernen Handlungsballetts : im Schluss-Pas-de-deux von Angelin Preljocajs Ballett „Le Parc“ stimmte am Premierenabend, der die diesjährige Ballettsaison der Pariser Oper eröffnete, einfach alles. Der Pas de Deux, der seine emotionale Spannung nicht zuletzt der musikalischen Begleitung durch das sublime Andante aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 verdankt (Klavier: Elena Bonnay, musikalische Leitung: Koen Kessels), beschreibt das Zueinanderfinden zweier Tänzer, die sich schon mehrmals im Laufe des Ballettes - vergeblich - einander anzunähern versuchen.

Die Geschichte des Paares, das in einer frivolen Umgebung zur authentischen Liebe findet, spielt sich vor dem Hintergrund einer dekadenten Gesellschaft des 18. Jahrhunderts ab, die aus Laclos‘ Roman „Gefährliche Liebschaften“ entstiegen sein könnte. Hier amüsieren sich Damen in Männer- und Frauenkleidern mit ihren männlichen Partnern bei zahlreichen Gesellschafts- und Paarfindungsspielen. Auch die beiden Protagonisten sind Teil dieser Gesellschaft, bis sie durch einen Zwischenfall aufeinander aufmerksam werden, der ihren Weg immer mehr von dem Treiben ihrer Umgebung trennt.

Während allerdings die Beziehung der Protagonisten im Laufe des Balletts immer subtiler und poetischer wird, leidet die Choreografie für die Corpstänzer vor allem gegen Ende unter einigen Längen. Die Gruppensequenzen scheinen vor allem dazu zu dienen, einen zeitlichen und sittlichen Hintergrund zu schaffen, der die immer größere Entfernung des Hauptpaares von diesem Rahmen veranschaulicht. Die Ensembleszenen wirken durch die besondere Betonung von Kostümen (Hervé Pierre), Dekor (Thierry Leproust), Beleuchtung (Jacques Chatelet) und „posierenden“ Bewegungen oft tableauartig.

Demgegenüber zeichnet sich die Geschichte der Protagonisten mit immer deutlicherer Schärfe ab. Deren Beziehung gestaltet sich schwieriger als die flüchtigen Begegnungen der sie umgebenden Paare, und die Annäherung findet nur sehr langsam statt. Sie wurde an diesem Abend sehr überzeugend von Laetitia Pujol und Laurent Hilaire portraitiert. Pujols leicht irritierte Ablehnung wandelt sich im Laufe des Stückes zur rührend-naiven, vertrauensvollen Hingabe des Schlusses. Laurent Hilaire beherrscht von Anfang an mit vollkommener Souveränität die Bühne und wird anschließend erst zum fordernden, dann zum resignierten Liebhaber, bis er schließlich die Gesuchte findet und sich mit ihr im eher liebevollen als leidenschaftlichen letzten Pas de Deux vereint.

Damit nimmt auch er den Ausstieg aus der Gesellschaft vor, zu dem die weibliche Hauptfigur bereits viel früher im Stück ansetzt. Ihr „Aus-der-Welt-Sein“ wird unter anderem durch ihren traumwandlerisch anmutenden Pas de cinq mit vier geheimnisvollen „Gärtnern“ veranschaulicht, die - in Lederschürzen und mit schwarzen Brillen - modernisierte Amorfiguren darstellen; sie sind es, die im Garten der Liebe Regie führen.

So durchziehen die vier (allen voran der blitzschnelle und präzise Simone Valastro) das Stück mit eckigen, roboterhaften Bewegungen und tragen zum Entstehen jener zweideutigen Atmosphäre bei, die den zeitlichen und thematischen Rahmen des Stückes sprengt. Zahlreiche Elemente lassen das Ballett nicht nur als ein Sittenportrait einer bestimmten Gesellschaftsschicht des 18. Jahrhunderts erscheinen; Bühnenbild, Kostüme und Musik - eine Mischung aus sorgfältig ausgewählten Mozartstücken und Einschüben elektronischer Klangkompositionen - kombinieren stets Vergangenheit und Gegenwart und verleihen dem Stück eine Mystik, die Sittenportrait und individuelle Liebesgeschichte transzendiert und die Bühnenhandlung zu einem Symbol für den ewigen Triumph der Liebe über alle Widerstände erhebt.
 

Link: Ballet de l'Opéra National de Paris

 

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