Das deutsche Ballett trauert um einen Unvollendeten

Zum Tod von Uwe Scholz

oe
Stuttgart, 23/11/2004

Ein Frühvollendeter? Eher denkt man bei der – trotz der vielen Krankmeldungen – wie ein Blitzschlag registrierten Meldung über den Tod von Uwe Scholz an einen Unvollendeten! Überhaupt an lauter Wörter, die mit einem Un- beginnen. Ein Unersättlicher – der jedenfalls mit seiner Werkliste von über hundert Titeln noch längst nicht an seinem Ende angelangt schien. Ein Unzufriedener wohl auch, der ständig mit sich selbst haderte – und eben deswegen sich in jene Unersättlichkeit flüchtete, die seine physischen und psychischen Kräfte über die Jahre unstoppbar aushöhlte und schließlich vollends zerstörte.

Dass er jetzt im gleichen Alter wie John Cranko gestorben ist, erscheint als eine weitere der Parallelen in seinem Leben zum Leben und der Karriere des Stuttgarter Ballett-Wundermannes. In Darmstadt geboren, durchlebte Scholz seine entscheidenden künstlerischen Formationsjahre in Stuttgart – wie der Südafrikaner Cranko in London – hatte in Stuttgart seine ersten choreografischen Erfolge, wurde dann sehr jung Ballettchef in Zürich – ein Senkrechtstarter in jeder Beziehung – wie Cranko, der eigentlich in Stuttgart erst er selbst wurde. Cranko fand seinen väterlichen Musenfreund in Walter Erich Schäfer, dem Stuttgarter Generalintendanten. Scholzens Schäfer in seiner nächsten Karrierestation in Leipzig hieß dann von 1991 an Udo Zimmermann, zumindest am Anfang seiner Jahre an der Pleiße. Doch seine eigentliche Muse war die Malerin und Ausstatterin Rosalie, die sich intensivst seiner annahm und ihm in vielen seiner zunehmenden Krisen beistand – fast wie die Muse/Nicklausse in „Hoffmanns Erzählungen“ (und auch hier diese merkwürdigen Parallelen mit Hoffmanns ewiger Besäufnis auf der Flucht vor seinen ständigen Liebesfrustrationen).

Ein Unvollendeter war Scholz schließlich auch in seinem maßlosesten Unternehmen – als er sich an Bruckners Achter verhob. Nachdem er zuvor über die Jahre hinweg sein Handwerk gründlich erprobt hatte, es zu immer sensiblerer choreografischer Musikalität geschliffen hatte – an Bach, Haydn, Mozart und Beethoven, an Schumann, Tschaikowsky, Wagner und Rachmaninow bis zu Strawinsky, Boulez und Zimmermann (Udo). Nein, die Götter haben Uwe Scholz nicht wirklich geliebt und ihn deshalb so früh abberufen. Denn nachdem sie ihn so überreich mit Gaben ausgestattet haben, haben sie ihn im Stich gelassen – und ihm vorenthalten, zu wahrer Meisterschaft zu reifen.

Es ist schade um ihn – schade für das deutsche Ballett, das seinen vielleicht kreativsten Hoffnungsträger in jenen Jahren verloren hat, die man die besten eines Mannes nennt!

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