Variationen für Stimme und Tanz

Ausdruckmittel im Diskurs „Vor langer Zeit lebte ein Dichter in dieser Stadt..., bekannt unter dem Namen Chuck“. Erfunden hatte den nächtlichen Schreiber der deutsche Schriftsteller Wolf Wondratschek Anfang der 70er Jahre. Nun haben der berühmte britische Improvisationstänzer Julyen Hamilton und der Stimm- und Sprechkünstler Christian Reiner aus Österreich den Gedichtband zur Grundlage einer 60-minütigen Studie über die Verquickung und Koppelung von Bewegung, Sprache, Musik und Vokalakrobatik genommen. Wondratschek selbst, mit tiefwarmer Stimme aus seinem Buch vorlesend, gibt den Einstieg in eine surreale Welt voll un(miss-)verständlicher Aneinanderreihungen: „Ein Zug kommt an, vielleicht bin ich drin“.

Als er sich in den Ohrensessel am Bühnenrand zurückzieht, haben schon längst seine beiden Partner – ingeniös unterstützt vom gackerig-jauchzenden Trompetenspiel Richard Kochs - das bewegte Spiel um Erzählperspektiven und optisch-akustische Sichtweisen übernommen. „Themes for Voice and Dance: Chucks Zimmer“ verweigert sich dem dramatischen Spannungsbogen einer Handlung, exponiert ohne zu erregen. Doch es unterhält dank seiner ungezwungenen Leichtigkeit, in der (Humor miteingerechnet) mal das gesprochene Wort, mal die getanzte Geste und immer wieder abgehackte Phrasenpoesie den Ton angeben. Chucks alle drei, bleiben die Interaktionen der sehr individuellen Akteure unvorhersehbar. Am freiesten performt Julyen Hamilton. Er ist der genial-elastische Kooperateur, der wie ein Bungeejumping-Seil jede in den Raum geworfene Stimm(ungs)nuance aufsaugt und wieder weitergibt. Seine dem Alltag abgeschauten Bewegungen können weder Lichtkreuze noch Schachquadrate bremsen (Licht: Svante Grogarn). Und - das ist das Schöne dabei – sie kommen alle ganz ohne mediale Ergänzung aus. Zum Schluss ist man bereit, mit Wondratscheks surrealistischer Figur Chuck zu sprechen: Eine Performance fand statt – vielleicht war ich dabei.