Rätselhafte Affäre

„In a White Room + One“: Mia Lawrence im i-camp

München, 19/02/2004

Das Publikum ist hart an den Rand gedrängt. Bis weit hinaus in den Zuschauerraum greift das weiße Zimmer, das die Choreografin Mia Lawrence zusammen mit dem Lichtdesigner und Videokünstler Jeanluc Ducourt ins i-camp gestellt hat. Weiße Ecken und drei weiße Stühle, zwei große weiße Projektionswände, gleißendes Licht. Der Mann in grüner Trainingshose und weißem Shirt erzählt das Märchen von der Prinzessin, die sich in den Finger stach, in einen tiefen Schlaf fiel und als alte Frau wieder erwachte. Die Tänzerin bewegt sich im Hintergrund, fast am Platz. Aus dem Off tönen Worte, Reihungen von Adjektiven, Bezeichnungen von emotionalen und physischen Bewegungsqualitäten. Langsam färbt sich der Raum sonnengelb. Eine Männerstimme fällt ein. An die eine Wand, später an die andere, wird ein Bild des Zimmers mit seinen Darstellern projiziert, auch das bewegt sich, kippt, verdoppelt sich in unendlicher Spiegelung. Sinnliche Ereignisse.

Eigentlich handelt es sich bei „In a White Room + One“ um eine Live-Installation. Als solche jedenfalls hatte die New Yorkerin, die seit drei Jahren in München wohnt, Teile dieses Abends während eines Residenzaufenthalts im belgischen Kortrijk erarbeitet. Es spricht viel für einen großen, leeren Raum, in dem dieses weiße Zimmer mit seinen beiden konzentrierten, beinahe entrückten Bewohnern Luft und Platz um sich hätte. Zumal die Videoeffekte mit Nähe und Distanz experimentieren, Körperdetails in Großaufnahme bringen oder die Körper so aufnehmen, dass sie sich an den Wänden zu einem einzigen ergänzen. Aber das Spiel funktioniert auch im kleinen i-camp. Hier gerät es zum Kammerstück, von dem man durch die ständig sich erweiternden sinnlichen Ereignisse umfangen wird: von intensiven Farben, Tonvibrationen, Sound der Stimmen und Worte, bewegten Bildern und Menschen. Das nimmt man gerne hin, fragt sich aber dann doch, spätestens wenn die aufeinander geschichteten Texte von Liebe sprechen, was dieser Mann (Ludger Lamers) und diese Frau (Natali Radelic) miteinander zu tun haben. Ihre Beziehung bleibt in der Schwebe.

Exquisit wie immer bei Mia Lawrence dagegen sind die klaren, von Yoga- und Tai-Chi-Übungen inspirierten Bewegungen, überzeugend auch die von ihr verfassten Texte, die eine Fülle von Bedeutungsräumen aufstoßen. Nach einer Pause, während der beide Tänzer ruhig auf dem Boden liegen, nimmt das Stück einen neuen Anlauf: Die Bewegungen der Tänzerin werden raumgreifender. Vor der Hand des liegenden Mannes dreht sich eine kleine, bunte Diskokugel. Alle Farben, die vorher den Raum aufleuchten ließen, sammeln sich nun in rotierenden Punkten. Reggaemusik. Die Darsteller verlassen den Raum. Schluss. So verläppert in den letzten Minuten, was sich über eine Stunde lang in großer Spannung aufbaute. Dieser Endspurt haut nicht hin. Gut, dass Mia Lawrence vorher schon im Ziel war.

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