Gastspiel des Slowenischen Nationalballetts Maribor mit Edward Clugs „Lacrimas“

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Karlsruhe, 15/07/2004

Kristallisiert sich hier womöglich eine neue Marketing-Strategie heraus, von der der Tanz insgesamt abseits der großen, offiziell subventionierten Kompanien profitieren könnte? Seit seinem Ausscheiden als einer der Top-Solisten und Juniorchoreografen des Stuttgarter Balletts bemüht sich Jean-Christoph Blavier um den Aufbau einer zweiten Karriere. Auch weiterhin als Choreograf bei etablierten Kompanien der internationalen Szene, vor allem aber als Manager der von ihm gegründeten moving-angel.com, die schon in ihrem Titel ihr etwas anderes, den neuen Medien verpflichtetes Selbstverständnis annonciert. In enger Zusammenarbeit mit Sponsoren und gesellschaftlich organisierten Wohlfahrtsorganisationen arrangiert er tänzerische Events abseits des Theaterbetriebs. Dabei hat er in der kulturell erfreulich engagierten Sparda-Bank und der Hardtstiftung, die sich als lebensorientierte Jugendhilfe für Mädchen, Mutter und Kind versteht, besonders aufgeschlossene Partner gefunden, die schon verschiedentlich zu Veranstaltungen eingeladen haben, welche ohne diese Initiative wohl kaum zustande gekommen wären.

So auch jetzt in Karlsruhe, wo die Sparda-Bank ihre Kunden und die Öffentlichkeit zu einem Besuch des Slowenischen Nationalballetts Maribor mit „Lacrimas“ ins Kongresszentrum einlud – ein gewagtes Unternehmen in diesen sommerlichen Tagen, da die halbe Welt im Urlaub ist und zudem gerade im nahegelegenen Stuttgart Béjart mit dem Tokyo Ballet zu Gast ist. Der gesellschaftliche Rahmen ermöglichte immerhin dem Oberbürgermeister einen Auftritt, in dem er eloquent die Bewerbung seiner Stadt als europäische Kultur-Hauptstadt im Jahr 2010 verteidigte – einmal ganz abgesehen von dem ansehnlichen Scheck, den der Bankchef dem Vertreter der Hardtstiftung überreichen konnte.

Gewagt auch deshalb, weil man hierzulande vielleicht gerade noch die slowenische Hauptstadt Ljubljana (das frühere Laibach) kennt, aber wer weiß schon, dass das an der Drau gelegene Maribor zu k.u.k. Zeiten einmal Marburg hieß und mit seinen rund hunderttausend Einwohnern auch ein eigenes Theater mit einer Balletttruppe besitzt, die sich sogar mit dem Titel eines Slowenischen Nationalballetts schmückt (und wer residiert in Lubljana, das ja die Stadt ist, der die nicht nur in München unvergessenen Pia und Pino Mlakar eng verbunden sind?). Aus den sehr spärlichen Informationen erfahren wir immerhin, dass „das Nationalballett Maribor in seiner auf klassischer Technik basierenden Modernität in den ehemaligen Ostblockstaaten einmalig ist.“ Und was sind dann all die anderen Kompanien an den Provinztheatern etwa in Györ, Cluj, Ostrava, Krakau oder Jekatarinburg? Jedenfalls erwiesen sich die sechs plus sechs Tänzer und Tänzerinnen aus Maribor durchaus als Sympathiewerber für ihre Stadt.

Jung, frisch, engagiert, attraktiv aussehend und jedenfalls erzprofessionell tanzten sie in ihrem Stahlkäfig unter dem Titel „Lacrimas“ (alias Tränen) ihre von Edward Clug choreografierte Siebzig-Minuten-Gefangenschaft, aus der sie schließlich ausbrachen – Beziehungskisten, wie man das hierzulande nennt, zu plärrender Pop-Musik. „Sind halt so, die jungen Leut‘“, wie es so schön im „Rosenkavalier“ heißt. Kaum zu unterscheiden von ihren Altersgenossen in Marburg an der Lahn. In einem Stilmix aus gesofteter Klassik, Zeitgenössisch-Modern und Disko, mit zahlreichen Schleif- und Schlitterschritten und heftigem Minenspiel, mit dem sie ihre emotionale Betroffenheit signalisierten. Lauter individuelle Typen, ganz und gar nicht cool – auch wenn sie sich manchmal so gaben. Wie gesagt: Twens, wie wir sie aus vielen Tanzkompanien zwischen Kuopio im hohen Norden Finnlands und Lwow in der Ukraine kennen. Ganz sicher nicht so klassisch wie ihre Kollegen vom Badischen Staatstheater – weswegen die Karlsruher sie als etwas anderen Farbtupfer ihrer lokalen Tanzszene ausgesprochen freundlich akklamierten.

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