Uwe Scholz: Sinfonische Ballette

oe
Duisburg, 05/04/2003

Ein Ballettabend, ganz nach oe‘s konservativem Geschmack! Zwei Sinfonien, interpretationsoffen, aber nicht übergewichtig: Schumanns Zweite und Berlioz‘ Fantastische – von der Duisburger Philharmonie unter Martin Fratz tanzfreundlich begleitet. Volles Haus, applausfreudig. Eine große Kompanie, gut anzusehen, gut drauf, vom Choreografen furchtlos eingesetzt (bis zu vierzig Tänzer – dann habe ich aufgehört zu zählen). Kein Wunder, denn unser Mann heißt Uwe Scholz, und der gehört zu den ganz Wenigen, die mit großen Massen umgehen können. Und musikalisch ist er auch, mit einem klaren Formsinn – ein Architekt als Choreogaf! Kein Tiefstapler, eher ein Strukturalist. Und obendrein ein farbsensibler Ästhet – bei Schumann arbeitet er mit Wolken-Projektionsbildern, bei Berlioz mit Farbenstreifen, dominierend diesmal rot. Dazu gibt es eine stimmungssuggestive Beleuchtungsregie (Michael Röger).

Uwe Scholz also wieder einmal auf Wanderschaft durch die Seelenlandschaften der Musik (wie er sie hört). Keimzelle der Schumann-Sinfonie ist eine Tänzerplastik, bestehend aus zwei deckungsgleichen Tänzerinnen (Marina Antonova und Lucia Solari) – offenbar auf Schumanns Doppelexistenz als Florestan und Eusebius anspielend, weswegen ich mir lieber ein Tänzerpaar gewünscht hätte, um so auch Schumanns sexuelle Ambiguität besser herauszuarbeiten. Denn die beiden Solomänner (Igor Antonov und Jörg Simon) haben nur akkompagnierende Funktion. Das wird besonders deutlich in dem Fugato des Adagio espressivo, das allein den beiden Solofrauen vorbehalten ist. Der Schluss mündet dann wieder nach den dramatisch zugespitzten Konflikten der voraufgegangenen Sätze („von manchen Schmerzen und Freuden“) in die Tänzerplastik des Anfangs: Schumann hat sich wieder, ist wieder er selbst. So schließt sich der Bogen.

Berlioz beginnt mit dem einsam vor sich hinbrütenden Mann-Poet (Michal Matys), der am Schluss von der Masse vernichtet wird, während hoch über ihm die poetische Idee (Eriko Yamashiro) triumphiert. Zwischen ihnen beiden spielen sich die dramatischen Auseinandersetzungen dieses Balletts ab, von Scholz in durchweg ingeniösen, immer erzmusikalischen Konfrontationen auch mit den blockartig dagegen gesetzten Corps-Formationen arrangiert (nur in der Episode auf dem Lande mit der traurigen Englischhorn-Melodie hat ihn die Inspiration verlassen – wie ja auch Berlioz, dies ist der langweiligste Teil der Sinfonie).

Für die Ballszene hat sich Scholz eine ganz und gar individuelle Lösung einfallen lassen; eine einzige Diagonalreihe in Perpetuum-Mobile-Movements, die im Domino-Stafettenverfahren weitergereicht werden, mit signalartigen Port-de-bras-Figurationen. Ausgesprochen genial (wobei mir allerdings Gedanke aufblitzt, er könnte hier eine subtile Parodie auf Pina Bauschs Polonaisen-Arrangements gemeint haben). Überflüssig finde ich das anfängliche Händeklatschen und auch eine Cancan-Reihe der Damen finde ich unpassend. Insgesamt ist ihm hier aber ein großer Wurf gelungen! Das Rheinopern-Ballett an diesem Samstagabend in guter – wenn auch nicht perfekt harmonisierter und koordinierter Verfassung. Es ist wohl die erste Kompanie unserer zweiten Bundes-Ballettliga (unmittelbar gefolgt von Leipzig).

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern