Eröffnung der Festspiele mit „Carmina Burana“

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Ludwigsburg, 13/06/2003

Und wieder einmal „Carmina Burana“, Carl Orffs Hit von anno 1937. Wie viele Choreografen haben sich nicht seither daran versucht! Besonders in den fünfziger bis siebziger Jahren. Weltweit am bekanntesten wurde John Butlers Version von 1959. Unter den bekannteren Namen: Mary Wigman (Leipzig, 1943), Peter Darrell (Deutsche Oper Berlin, 1968), Gerhard Bohner (Köln, 1978). In München kam die 1990 geplante Inszenierung mit Hans Kresnik und Gottfried Helnwein nicht zustande (an ihrer Stelle inszenierte Hans Neugebauer, mit Krisztina Horvath als Choreografin und verursachte einen saftigen Skandal).

Die vielleicht geglückteste Version produzierte Jean-Pierre Ponnelle 1975 fürs Bavaria-Fernsehen in München, mit der choreografischen Assistenz von William Milié. Und jetzt nun also zur Eröffnung der diesjährigen Ludwigsburger Schlossfestspiele als Paukenschlag-Auftakt eine Aufführung mit Wolfgang Gönnenwein und seiner Ludwigsburger Equipe – dazu das Shanghai Ballett mit der Choreografie von Ying E. Ding.

Zu den Ludwigsburger Großtaten wird man die Produktion in Zukunft wohl kaum rechnen. In puncto Informationen hielt sich das Programmheft sehr bedeckt. In ballettanz lese ich im Januar-1998-Heft, dass die Kompanie seit 1979 ihren Namen trägt, hervorgegangen „aus dem ehemals zur Shanghai Dance School gehörenden Kollektiv, das das Revolutionsballett ‚Das weisshaarige Mädchen‘ herausbrachte“. Es handelt sich offenbar um das Ballett der Oper von Shanghai, „das bereits beim Art Festival in Hongkong, in Macau und in Berlin zu sehen war. Das von der internationalen Presse hochgelobte Tanzensemble war darüber hinaus bereits auf Tourneen durch Frankreich, Deutschland, Japan u.a. unterwegs“.

Na ja! In meinem elektronischen Lexikon taucht es ebenso wenig auf wie der Choreograf Ying E. Ding, inzwischen künstlerischer Leiter der Hongkong Tanzkompanie. Es ist eine ziemlich saft- und kraftlose Produktion geworden – in einem routinierten Allerwelts-Modern-Jargon, anfangs barfuß getanzt, später in Schläppchen, in farblich aparten, duftigen Kostümen. Zweimal etwa zehn Tänzer, sympathisch, aber sicher nicht weltbewegend, dazu ein Solopaar. Die Choreografie ornamentiert die Musik (von der an diesem Abend wenig energetische Impulse ausgehen). Das ist hübsch anzusehen, reicht aber nicht, dem Ganzen zu einer eigenen Identität zu verhelfen.

Die drei Teile „Primo vere“ und „Uf dem Anger“, dann „In taberna“ und schließlich „Cour d´amour“ sind choreografisch wenig unterschieden. Vor allem mangelt es an Humor und an Erotik. Selbst die Buffo-Episode des gebratenen Schwans bietet nicht viel mehr als verquälte Kontorsionen der Solistin im roten Trikot. Für die Wucht der Musik (die allerdings an diesem Abend auch eher gebremst das Haus durchflutet) ist das alles zu kleinkariert. Zumal da wir gerade in dieser Woche im Kino beim dem Film „Hero“ erlebt haben, wie äußerst raffiniert und rasant chinesische Choreografie sein kann.

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