Die Palastrevue zum Zwanzigsten

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Berlin, 02/10/2003

Feiern ist angesagt zum zwanzigjährigen Bestehen des Berliner Friedrichstadtpalastes – mit seinen 1898 Plätzen nicht nur das größte Revuetheater Europas, sondern auch das einzige Etablissement Deutschlands, das es mit der Konkurrenz von Paris, New York und Las Vegas aufnehmen kann. Nur Havanna übertrifft sie alle mit seiner rassigen Sexiness. In dieser Beziehung bietet „Revuepalast“, die noch nicht mal vier Wochen alte jüngste Show eher preußisch Biederes. Das hängt mit ihrer leicht überalterten, nicht sonderlich attraktiven Boys-Gruppe zusammen. Dagegen können es die 36 Girls mit ihrer internationalen Konkurrenz durchaus aufnehmen – kein Wunder bei diesen Beinen von Gardemaß.

Ansonsten bietet die Nummernfolge die bewährte Mischung aus Tanz, Ballett, Gesang, technischen Überraschungen, hoch virtuoser Artistik (besonders von den russischen und ukrainischen Luftakrobaten und den Unterwasser-Nixen), geradezu überschwappende Fantasie, einen Rausch der Farben und Klänge, dazu jede Menge Videoclips (mit Reminiszenzen aus früheren Produktionen), opulente Kostüme, stramme Exerzierarrangements und sogar eine weidlich ausgewalzte Rote-Faden-Story über eine Putzfrau, die so gern ein großer Star sein möchte, in schnoddrigstem Spree-Dialekt.

Das ist alles perfekt inszeniert, mit fantastischem Timing und lässt an Abwechslung und Kontrastvielfalt nichts zu wünschen übrig. Musikalisch bietet die Show allerdings wenig Ohrwurmträchtiges: am Anfang leichte „Hello Dolly“-Anklänge, vor der Pause einen rasanten „Carmen“-Verschnitt, danach dann ein bisschen „Lady Be Good“-Swingtime und kurz vor Schluss noch den obligatorischen Offenbach-Cancan, bevor zum Applaus-Finale im Takt die sprichwörtliche „Berliner Luft“ herbeigeklatscht wird. Beteiligt sind übrigens nicht weniger als sechs Choreografen. Alles sehr hübsch, temperamentvoll aufgeheizt und ausgeführt mit der Präzision des Wachbataillons Unter den Linden. Bei den nostalgischen Erinnerungen an die legendären „Zwanziger“ hätte ich mir außer dem Bananen-Girl à la Josephine Baker noch den einen oder anderen Videoclip der berühmten Haller-Revuen gewünscht. Und wenn die Produzenten gewagt hätten, einen filmischen Ausschnitt aus einem der Auftritte von Fritzy Massary zu zitieren, wäre schlagartig bewusstgeworden, was dem „Revuepalast“ fehlt: eine Starpersönlichkeit von weltstädtischem Format!

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