Makarovas "La Bayadère" zum zweiten

oe
Hamburg, 11/12/2002

Wie kommt es nur, dass der Eindruck ein und derselben Produktion zwischen zwei Vorstellungen sich derart verändern kann, und zwar sowohl zum Positiven wie zum Negativen? Ich erlebte es neulich erst bei den Stuttgarter „Dances at a Gathering“, die Generalprobe: wunderschön, aber doch arg lang, die Premiere und die Folgevorstellung sodann: ach, wenn‘s doch gar nicht aufhörte! Ähnlich erging es mir jetzt in Hamburg mit Makarovas „La Bayadère“.

Die gestrige Vorstellung: eher lahmarschig, obgleich gut getanzt wurde. Die heutige, in zweiter Besetzung, wesentlich packender. War es der direkte Anschluss an die so überraschend gelungene Berliner Malakhov-Produktion, die mich Makarovas Hamburger Einstudierung so alles in allem muffig und verstaubt hatte empfinden lassen? Dass wir uns nicht missverstehen: ich halte Berlin nach wie vor für schlüssiger, an- und aufregender, eben theatralischer.

In Hamburg bedauere ich nach wie vor, dass sich Neumeier nicht selbst der „Bayadère“ angenommen hat (etwa aus musikalischen Gründen). Weiterhin missfällt mir gröblich die pompöse Ausstattung von Pier Luigi Samaritani und Yolanda Sonnabend (die Kulissen, auf der Rückseite anders bemalt, könnten wohl auch für „Aida“ Verwendung finden).

Dann finde ich auch die halbherzige Ausführung der Pantomimen ärgerlich, besonders in der großen Auseinandersetzung zwischen dem Oberbrahmanen und dem Radscha vor dem Modigliani-Porträt von Gamsatti, wo ich überhaupt nicht verstehe, was die beiden so in Rage geraten lässt. Auch beim zweiten Mal überzeugt mich nicht, was für eine Funktion denn das Bronze-Idol hat, auch wenn Yukichi Hattori die Revue-Einlage nicht weniger schmetterfroh über die Bühne knattert als sein Kollege Arsen Megrabian am Abend zuvor. Und was die Schlusskatastrophe angeht, so bleibt mir nach wie vor unerfindlich, wodurch sie denn eigentlich ausgelöst wird. Nein, nein, die Berliner „Bajadere“ ist der Hamburger „Bayadère“ eindeutig überlegen –  nicht zuletzt ihres cleveren Schleier-Leitmotivs wegen.

Trotzdem hat mir die Hamburger „Bayadère“ beim zweiten Sehen wesentlich besser gefallen. Nicht etwa dass ich sie dramatisch-theatralisch schlüssiger gefunden hätte, und Carsten Jung, den ich am Vorabend mit Peter Dingle verwechselt hatte (kein Wunder, bei dieser Schreckgespenst-Kostümierung!) fand ich auch beim zweiten Mal eher bedauernswert als alter Zottel. Doch hatte Anna Polikarpova als Gamsatti an kaltherziger Entschlossenheit und auch an verführerischer Erotik zugelegt. Auch war Silvia Azzoni die feinere, weichere, geschmeidigere und lyrischere Nikija gegenüber der doch sehr amerikanisch kühlen Heather Jurgensen.

Und, wie vermutet, erwies sich Alexandre Riabko als der entschieden überzeugendere Solor, auch wenn er ziemlich lange brauchte, um zu seiner Form zu finden, und eigentlich erst opiumberauscht sein Format als Kronprinz des Hamburger Balletts legitimierte. Fabelhaft war wieder Otto Bubeníček als explodierender Hindu-Tänzer. Das Corps tanzte noch sicherer als am Vorabend, ein Mädchentraum musikgezeugter Poesie.
Und nun also auf zur superoriginalen „Bajaderka“ der Russen aus St. Petersburg am 28. Dezember in Baden-Baden!

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