Kein Ende der Lokalposse

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Berlin, 04/07/2002

Muss ich nun auch noch meinen Kommentar abgeben zum jüngsten Betriebsunfall des Balletts in Berlin? Die Nachricht von dem plötzlichen Rücktritt Blanca Lis als Ballettchefin an der Komischen Oper und die gleichzeitige Meldung, dass Intendant Udo Zimmermann Verhandlungen mit Martin Schläpfer, Ballettchef in Mainz, führt zwecks Übernahme der Ballettdirektion an der Deutschen Oper Berlin im Jahr 2004, erreichte mich in der letzten Woche in der Schweiz, wo ich mir meine Ferienlaune nicht verderben lassen wollte.
Jetzt in Berlin kamen die Gespräche aber natürlich immer wieder auf die sich ständig verschärfende, kritische Ballettsituation an den drei Häusern – denn auch die Staatsoper ist ja nicht davon ausgenommen, wenn dort auch mit dem bevorstehenden Amtsantritt Vladimir Malakhovs erst einmal eine gewisse Funkstille eingetreten ist.

Welch ein Kuddelmuddel! Ursprünglich war es ja Gerhard Brunners Plan gewesen, die beiden Kompanien von Staatsoper und Deutscher Oper miteinander zu einer großen Kompanie unter dem Titel BerlinBallett zusammenzufassen, das in beiden Häusern auftreten sollte – mit einem vorwiegend klassischen Repertoire Unter den Linden und mit einem moderneren Repertoire an der Bismarckstraße. Doch die beiden zuständigen Intendanten sträubten sich mit Händen und Füssen gegen eine solche zwangsverordnete Kohabitation.

So kam es dazu, dass das Ballett der Komischen Oper als erste Kompanie unter dem Namen BerlinBallett auftrat – zuerst unter dem von Brunner nach Berlin geholten Richard Wherlock, der aber schon bald genervt aufgab, woraufhin die offenbar ebenfalls von Brunner ins Gespräch gebrachte Blanca Li, eine Ikone der Pariser Szene, die Wherlock-Nachfolge antrat. Nach zwei von der Kritik vernichtend beurteilten Premieren, die gleichwohl ausverkaufte Häuser erzielten (und offenbar von einem ganz anderen Publikum besucht wurden), hat sie nun ebenfalls noch vor Ende ihrer ersten Spielzeit das Handtuch geworfen und ist nach Paris zurückgekehrt. Als Gründe nannte sie „nicht ausreichende finanzielle Rahmenbedingungen“ und in einer nachgereichten Presseerklärung die permanente Benachteiligung des Balletts gegenüber der Oper in der Prioritätenliste des Hauses.

Auch ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie, wenn vielleicht auch ein rotes Tuch für die Advokaten des Tanztheaters deutscher Prägung, doch zu einer Kultfigur der Berliner Ballettszene werden könne. Haben der Intendant und Brunner zu rasch resigniert? Zweifel weckt aber auch der Plan, Martin Schläpfer nach Berlin zu holen. Mainz und Berlin, das sind doch zwei völlig verschiedene Stiefel. Weiß Schläpfer, in was für ein Schlangennest er sich da begibt? Zwar glaubt man, dass es in Berlin eigentlich schlimmer nicht mehr werden könnte und konstatiert dann fassungslos, dass die Schraube immer noch um eine weitere Drehung angezogen wird.

Doch wenn nicht einmal Brunner, dieser international erfahrene Mann, in der Lage ist, diesem unaufhörlich fortschreitenden Verfall Einhalt zu gebieten – wer dann? Malakhov? Schläpfer? Wie mag es Gert Reinholm, wie Tom Schilling zumute sein, wenn sie dieser offenbar unaufhaltsamen Erosion tatenlos zusehen müssen? Ganz zu schweigen von den inzwischen total verunsicherten Tänzern!

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