Uwe Scholz choreografiert „Bruckner 8“

oe
Leipzig, 24/11/2001

Zehn Jahre Leipziger Ballett unter Uwe Scholz und zur Feier des Jubiläums das Mammutunternehmen „Bruckner 8“, die umfangreichste seiner Sinfonien – mit dem Gewandhausorchester unter Olaf Henzold im Hintergrund des schwarzen Bühnenraums postiert, seitwärts begrenzt und überwölbt von riesigen Torbögen, durchschnitten von ein paar weißen Neonröhren. Keine Handlung, keine allegorischen Figuren – nichts als Tanz in sich überstürzender Bilderfülle, immer ganz nahe an der Musik, entwickelt aus dem Gen einer rituellen Paarkonstellation, Kiyoko Kimura und Christopf Böhm, als Grundmotiv, das die ganzen pausenlosen rund hundert Musikminuten durchzieht und in dem fast halbstündigen Adagio-Pas-de-deux gipfelt, der den beiden – und besonders Böhm als unermüdlichem Partner der langphasigen Lifts geradezu Übermenschliches abverlangt (vom Corps nur ganz gelegentlich akkompagniert). Klassischer Tanz, mit zahlreichen Bodenfigurationen für die Männer, alle in lichtblauen Trikots, die Damen mit hautfarbenen Leggings – ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Spitzenschuh.

Atemberaubend kumulierende Linien und Reihen, aus denen sich kleinere Formationen abspalten, kaum Soli, eher multiplizierte Duos und Trios, in denen sich neben den fast pausenlos beschäftigten Hauptsolisten Roser Munez und Giovanni Di Palma, Sibylle Neundorf und Sven Köhler, Kristina Bernewitz und Michael Goldhahn profilieren. Die Damen in exquisiter Homogenität, die Männer nicht ganz so simultan, doch die ganze Truppe macht einen hoch erfreulichen Eindruck. Allenfalls stören im ersten Satz ein paar allzu notenpedantische Girlreihen mit ihren Revuesuggestionen.

Das Ganze nimmt sich aus wie eine gewaltige Kathedral-Installation aus Klang, Tanz, Raum und Licht, errichtet aus Musik und Tänzerleibern – Sinfonisches Ballett in der Nachfolge Massines, aber ohne dessen Handlungsanleihen beziehungsweise Allegorien. Leider bei der Premiere noch nicht ganz fertig, da Uwe Scholz wieder einmal (und nachgerade doch beängstigend oft) ins Krankenhaus eingeliefert werden musste – mit empfindlichen Leerstellen im letzten Satz (von der Phantasie der Zuschauer zu ergänzen im Do-it-Yourself-Verfahren). Auf Komplettierung darf gehofft werden, damit „Bruckner 8“ nicht als Scholzens „Unvollendete“ in die Ballettgeschichte eingehen wird.

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