„Cementary“ von Patricia Apergi

Die Generation der Loser

„Cementary“ von Patricia Apergi in Ludwigshafen

Mit beeindruckender Bewegungssprache zeichnet die griechische Choreografin ein düsteres Bild ihrer Generation.

Ludwigshafen, 18/10/2018

Oh weh. Die griechische Choreografin Patricia Apergi zeichnet in ihrem brandneuen Tanzstück ein düsteres Bild ihrer Generation. Das Vergnügen bei der Deutschlandpremiere von „Cementary“ blieb dem Publikum in Ludwigshafen vorbehalten: Es konnte einer ebenso eigenwilligen wie eindrucksvollen Bewegungssprache begegnen, die Patricia Apergi als eine der aufregenden jungen Choreografinnen der Millennium-Generation qualifiziert. Ermöglicht wurde diese Begegnung im Rahmen der Eröffnung des Festivals „Nach Athen!“, das fünf Tage lang den Pfalzbau komplett in Beschlag nimmt.

Die fünf Protagonisten der in Athen beheimateten Kompanie „Aerites“ – drei Tänzerinnen, zwei Tänzer – im dunklen Armuts-Lagenlook haben die Hoffnung schon aufgegeben, bevor das Stück richtig anfängt. Mit kleinen, schlurfenden Schritten bewegen sie sich vorwärts, auf flacher Sohle landend, nie mit Schwung vom Boden abfedernd; dieses Übermaß an Erdenschwere halten sie 75 Minuten lang durch. Mit skeptischen Blicken, verlegenen Handbewegungen und gelegentlich schrillem, aufgesetzten Lachen laden sie zu Beginn das Publikum auf die Bühne ein und signalisieren zugleich, dass sie ernsthaft niemanden erwarten. Die völlige Abwesenheit von Selbstbewusstsein zieht sich wie ein roter Faden durch das pessimistische Stück. Skepsis und Traurigkeit scheinen in die gebeugten Rücken, hängenden Schultern und schief geneigten Köpfe einzementiert. Signifikant ist der Mangel an Energie, hörbar gemacht durch ein laut keuchendes Ausatmen, das gelegentlich an ein unterdrücktes Schluchzen erinnert. Der Atem verbindet – und er prägt eine eindringlich mühsame, kunstvoll verzappelte Kuss-Szene, nach der alles dann doch nicht ganz anders wird als zuvor.

Eingangs beherrscht ein düsteres, schräg aufgespanntes Tuch die Bühne von oben wie ein schwerer, aschefarbener Himmel. Von unten angestrahlt, blitzen goldene Reste auf wie schäbige Überbleibsel einer gloriosen Vergangenheit. Irgendwann fällt das Tuch in einen Stoffstreifen zusammen, die Fünf bleiben auf der leeren Bühne im fahlen Licht unter sich. Sie formieren sich als Gruppe, brechen einzeln aus, formen höchst fantasievolle Körperskulpturen, schubsen sich und fallen immer wieder erschöpft zu Boden. Kurz geht eine Tänzerin auf eine andere los – aber auch dieser Ausbruch wird emotionslos abgefedert. Es ist der überdeutliche Mangel an Energie, der letztlich kein Fortkommen aus der tristen Atmosphäre erlaubt.

Patricia Apergi bezieht deutlich gesellschaftspolitische Stellung, wenn sie die Misere ihrer Generation in einem wirtschaftlich gebeutelten Land nicht vorrangig in den Umständen, sondern in den Akteuren selbst verortet. Aber nicht das Was, sondern das Wie ihrer Aussage ist höchst beeindruckend: So geht politisches Tanztheater von heute.

 

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