„La Sylphide“ von Pierre Lacotte. Tanz: Hugo Marchand, Amandine Albisson.

„La Sylphide“ von Pierre Lacotte. Tanz: Hugo Marchand, Amandine Albisson.

Glänzender Sainsonabschluss in Paris

Myriam Ould-Brahams Rollendebüt in Pierre Lacottes „La Sylphide“

Die Erwartungen waren sehr hoch – und Ould-Braham übertraf sie noch. Schon beim Öffnen des Vorhangs, als man die verliebte Sylphide zu Füßen ihres James sitzen sah, glaubte man ein Wesen von einer anderen Welt zu sehen.

Paris, 05/07/2017

Als Marie Taglioni 1832 erstmals als Sylphide auf der Bühne der Pariser Oper erschien, brach in den Augen vieler Zeitgenossen eine neue Epoche des Balletts an. Der Kritiker und Schriftsteller Théophile Gautier schrieb: „Durch fand die Romantik Einlass in die Kunst der Terpsichore.“ Die mythologischen Themen, die in den vorhergehenden Jahrzehnten den Spielplan dominiert hatten, wurden endgültig von der Bühne verbannt, und ihre Götter und Nymphen wichen den Sylphen, Willis und Naiaden des neuen Stils.

Von Paris aus eroberte Taglionis „La Sylphide“ viele Bühnen und drang bis nach Sankt Petersburg vor, wo Marius Petipa 1892 eine erweiterte Version zeigte. Danach verschwand das Ballett vom Spielplan, bis Pierre Lacotte, ein leidenschaftlicher Restaurateur verlorener Meisterwerke es sich zur Aufgabe machte, es 1971 in Paris in einer möglichst originalgetreuen Neufassung wiederaufleben zu lassen.

Das Ballett spielt in einem romantischen Fantasieschottland, das an Walter Scott erinnert, mit entfernten Anklängen an Shakespeare – vor allem zu Beginn des zweiten Aktes, in dem wie in „Macbeth“ ungepflegte Hexen den jungen Helden durch mehrdeutige Prophezeiungen zum (hier unabsichtlichen) Mord verführen. Der erste Akt – der sich aufgrund der nicht immer fesselnden Ensembleszenen sehr in die Länge zieht – spielt in einer Hütte, wo in Kilt und Karo auf Spitze getanzt wird, der zweite Akt in einem Wald, in dem sich nebst tückischer Hexen zahlreiche grazile Sylphiden tummeln. James, der zwischen der schwerelosen Sylphide und seiner irdischen Verlobten Effie schwankt, folgt schließlich seiner geflügelten Geliebten in den Wald. Jedoch bleibt sie wie alle romantischen weiblichen Ideale unerreichbar: gerade, als James sie dank eines verhexten Schals eingefangen zu haben glaubt, stirbt sie vor seinen entsetzen Augen. Im Hintergrund schreitet die verlassene Effie zur Hochzeit mit einem anderen, die rachsüchtige Hexe triumphiert, und James sinkt besinnungslos zu Boden.

Die diesjährige Wiederaufnahme bietet Anlass zu einigen interessanten Debüts in den Hauptrollen, vor allem dem der neuen Etoiles Léonore Baulac, Germain Louvet und Hugo Marchand (letzterer gewann kürzlich den Prix Benois). Sehr vielversprechend war auch das Rollendebüt einer schon vor einigen Jahren nominierten Etoile, Myriam Ould-Braham, die aufgrund ihrer Leichtigkeit und Grazie für den Part der Sylphide prädestiniert schien. So waren die Erwartungen sehr hoch – und Ould-Braham übertraf sie noch. Schon beim Öffnen des Vorhangs, als man die verliebte Sylphide zu Füßen ihres James sitzen sah, glaubte man ein Wesen von einer anderen Welt zu sehen: zerbrechlich, schwerelos, poetisch, mit leicht zitternden Flügeln und beinahe unmerklich ondulierenden Armen. Als sie begann, ihren James hingebungsvoll zu umkreisen, fühlte man sich an Théophile Gautiers Vergleich von Taglionis ronds de jambe und ports de bras mit langen Gedichten erinnert. Mal voll zärtlicher Sehnsucht, dann wieder verspielt bis kokett, schwebte Ould-Braham so mühelos über der realen Welt ihres Geliebten, dass die arme Effie (Mélanie Hurel) keine Chance hatte, diesen an sich zu binden.

An Ould-Brahams Seite glänzte Mathias Heymann wie immer durch Präzision und Leichtigkeit. Darüber hinaus erwies er sich als sehr sicherer Partner in den trickreichen Hebungen – unter anderem im Pas de trois, in dem sich die Sylphide immer wieder nur für James sichtbar in das Duo mit seiner Verlobten einmischt und einen Moment lang auf James’ Hand balanciert. Das Corps de ballet zeigte sich in guter Form in den komplexen Gruppenformationen, und das Orchester unter Ermanno Florio wurde Jean-Madeleine Schneitzhoeffers nicht besonders einprägsamer, aber sehr tanzbarer Partitur ebenfalls gerecht. Trotz gewisser Längen im ersten Akt und einiger schwerfälliger Spezialeffekte für die fliegenden und schwebenden Sylphiden war dies eine äußerst gelungene Vorstellung, die mit Zuversicht auf die Direktionszeit der neuen Leiterin Aurélie Dupont blicken lässt.

 

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