„Parkin’son“ von Giulio D’Anna

„Parkin’son“ von Giulio D’Anna

Vater und Sohn

„Parkin’son“ von Giulio D’Anna

Der Vater steht da, ein Berg von einem Mann, ein bisschen Bauch, aber noch viel Kraft - Tremor in einer Hand, deutliches Hinken - und erzählt von den eher durchschnittlichen Stationen seines Lebenslaufs, und dann seiner Krankheit.

Heidelberg, 27/02/2014

Es ist eine der großen Herausforderungen im Leben: Abschied zu nehmen von den eigenen Eltern. Vielleicht ist die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit das Schwierigste daran. Giulio D’Anna muss sich weit früher als gedacht diesem Thema stellen: Sein Vater, noch nicht einmal 60 Jahre alt, erkrankt an Parkinson. Für den Sohn, einerseits in Amsterdam lebender und produzierender Tänzer, andererseits Student der Medizin und Naturheilkunde, kommt die Diagnose wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Was tut ein Performer mit einem ganz großen persönlichen Problem? Er stellt es möglichst ehrlich auf die Bühne. Es ist eine Spielart des Konzepttanzes oder besser Körpertheaters, das mehr auf Authentizität und Mut als auf künstlerische Verarbeitung und Distanz setzt. So zeigt Giulio D’Anna auch ungeschützt vor, wie wenig er das Thema Tod und Sterblichkeit verarbeitet hat. Für das Duo „Parkin’son“ holte er dazu seinen Vater Stefano als Selbstdarsteller ins Boot. Der Vater steht also da, ein Berg von einem Mann, ein bisschen Bauch, aber noch viel Kraft – Tremor in einer Hand, deutliches Hinken - und erzählt von den eher durchschnittlichen Stationen seines Lebenslaufes: Automarken, Wohnortwechsel - und dann die Krankheit.

Über Parkinson erfahren wir in dieser Performance alles, was wir gar nicht so genau darüber wissen wollten: nicht nur Zittern, Muskelstarre und Verlust der Stabilität gehören zum Verlauf, sondern auch Verlust der Mimik und der Stimme. Deswegen also versucht der Sohn immer wieder, den Vater zum lauten Sprechen zu animieren, greift ihm ruppig ins Gesicht. Überhaupt geht es nicht zimperlich zu zwischen Sohn und Vater. Alte Rivalität ist da zu spüren, aber auch, dass der Sohn keine Schwäche im Vater zulassen will, auf diese Weise gegen die Krankheitssymptome ankämpft. Es dauert lange, bis die beiden sich zu umarmen wagen, immer auf der Hut vor Zurückweisung und Verletzung.

Stefano D’Anna wirkt auch nach zahlreichen Vorstellungen des ungewöhnlichen Erfolgsstücks immer noch spontan und ein bisschen erstaunt darüber, dass er jetzt auf der Bühne steht. Warum da nicht mehr getanzt wird in einem Tanztheaterstück, hat er den Sohn gefragt. Tanzen, das ist für ihn was Schönes, Fließendes, Harmonisches. Und so versucht der Sohn, mit dem Vater zu tanzen, ohne dessen Schwäche zur Schau zur stellen: Daraus wird ein komplizierter Reigen im Liegen, aus dem sich mal eine Turnfigur, mal ein Hebeakt entwickelt. In berührenden poetischen Augenblicken des Zusammenkauerns verschmelzen die beiden Körper zu einem einzigen. Immer wieder benutzt der Sohn seine endlos langen Arme wie flatternde Flügel und zitiert in einem Solo gar das vielleicht berühmteste aller Tanzstücke, den „Sterbenden Schwan“.

Nein, Abheben und Fliegen geht definitiv nur noch im Kopf. Und während im Hintergrund Fotos aus dem Familienalbum projiziert werden, die am Ende die eine oder andere komplizierte Turnfigur als Beschwörung schöner Erinnerungen erklären, verliert sich Giulio in einer anrührenden Zukunftsvision. Denn sterben will er, so wie er in die Welt gekommen ist: in den Armen des eigenen Vaters. Da wischte sich mehr als einer im Publikum nach dem starken Beifall ein Tränchen aus dem Augenwinkel.
 

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