„Noche Bach“
„Noche Bach“

Bach so und Bach anders

Ballet Nacional Chileno beim 20. Festival „George Enescu“ in Bukarest

Bukarest, 05/09/2011

Der Andrang ist groß, auffällig jung ist das Publikum, nicht zu übersehen Bukarester Tänzerinnen und Tänzer, aktiv oder nicht mehr. Das Bukarester Nationaltheater ist ein riesiger Bau, aber die Plätze reichen nicht aus. Man steht an den Seiten und sitzt auf den Mittelstufen des Parketts. Das Festival „George Enescu“ ist im Jubiläumsjahrgang eigentlich ein Gipfeltreffen weltbekannter Orchester, Solisten und Dirigenten. Opernproduktionen gehören aber auch dazu, in diesem Jahr Wagners „Lohengrin“, denn die Bukarester Nationaloper wurde 1921 mit diesem Werk eröffnet und am Pult stand George Enescu.

Zu Beginn des Festivals gibt es auch ein Ballettgastspiel, und der Choreograf ist einer von vielen „Heimkehrern“: Gigi Caciuleanu zog es wie viele Künstlerkollegen von Bukarest aus in die Welt. Festivals sind willkommene Anlässe, die Heimat zu besuchen, so halten es offensichtlich auch Dirigenten und Solisten, denn das Publikum bleibt seinen Künstlern treu. Caciuleano präsentiert mit 22 Mitgliedern der Kompanie aus Chile seine Kreation „Noche Bach“, im ersten Teil zu den Brandenburgischen Konzerten Nr. 5 und Nr. 3, dann zur Motette „Jesu meine Freude“. Modern Dance auf blanker Sohle, zunächst in rascher Folge, ineinander übergehend, Soli, Gruppenbilder, dann auch Duette und kleinere Gruppen. Auffällig als durchgehendes Zeichen: rechte Arme, die in die Höhe weisen. Im Gedächtnis bleibt ein aneinandergebundenes Paar, ein Körper, vier Beine, vier Arme, Auseinanderstreben und Rückkehr in den „Urzustand“ - Platons Schöpfungsmythos und Musik von Johann Sebastian Bach.

Problematisch sind die gewählten Aufnahmen, die dazu in mangelhafter Tonqualität zugespielt werden. Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker, das ist ein so satter Klang, dass man ihn bald satt hat. Zudem überlagert diese Klangfülle die Intimität des Tanzes, dem es auch an überzeugenden Höhepunkten mangelt, und der in einer Bach‘schen Endlosschleife den ersten Teil beendet, nicht ohne immer wieder sportive Assoziationen aufkommen zu lassen.

Anders der zweite Teil. Alle 22 Tänzerinnen und Tänzer treten in Schwarz auf: als Chor mit Notenpulten und Partituren. Gänzlich anders auch die musikalische Auffassung der Gächinger Kantorei mit dem Bach-Collegium Stuttgart unter der Leitung von Helmuth Rilling. Hier herrscht protestantische Klarheit, die dem Wort verpflichtet ist; das heißt ja nicht, dass es der Interpretation von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ an Dramatik und Spannung fehle. Im Gegenteil. Der Chor der Tänzerinnen und Tänzer schafft in der ganzen Gruppe, in den Soli und unterschiedlichen Gruppierungen, deren Bewegungen sich auch deutlicher aufeinander beziehen, eine überzeugende optische Version meditativer Spiritualität. Eindeutige Bilder zum Text gibt es nicht, wohl aber emotional nachvollziehbare Assoziationen. Am Ende halten uns die Tänzer ihre offenen Partituren entgegen. Sie sind leer, nichts in den Mappen. Dann müssen Bachs Klänge samt der Vision ihrer Worte wohl in den Herzen sein und die Tänzer machen, was das Ihre ist, sie lassen ihre Körper sprechen. Das kommt an in Bukarest und dementsprechend herzlich ist der Beifall für das Ballet Nacional Chileno und seinem künstlerischen Direktor Gigi Caciuleanu, das „Noche Bach“ auch in drei weiteren Städten Rumäniens zeigen wird.

www.festivalenescu.ro

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