Eric Franklin

Die Kraft des Mentalen

Essen, 11/03/2010

Während des Tamed-Kongresses 2003, der in Essen stattgefunden hatte, bin ich zum ersten Mal der Franklin-Methode für Tänzer begegnet. Für mich waren seine Workshops regelmäßig ein Grund zum Staunen. Natürlich wusste auch ich schon früher von der Kraft des Mentalen und von der Notwendigkeit der Anatomielehre für Tänzer, aber Franklin hat eine Methode entwickelt, die mentalen Fähigkeiten zu schulen und die Anatomie zu spüren.

Endlich hat es geklappt und zusammen mit der Folkwang-Universität konnte ich ihn einladen, vier Tage lang einen Workshop in Essen zu geben. Sein Unterricht fängt immer mit einem großen Kreis aller Beteiligten an (dabei sollte niemand sitzen bleiben, um nur zuzusehen). Wir halten uns fest an den Händen und werden uns bewusst: Wie fühle ich mich heute, wie geht es mir? Mit der einfachen Bewegung, die Schultern hochzuheben und wieder zu fallen lassen, bekommen wir die erste Einführung in das mentale Training für Tänzer. Franklin gibt nicht Anweisungen wie „Denke dieses“ oder „Sieh das“ - nein, die Schüler sollen es selbst entdecken.

Am ersten Tag haben wir das Becken studiert und seine Bewegung im Plié. Der zweite Tag war der Wirbelsäule und ihren Kurven gewidmet. Am dritten Tag haben wir den Fuß und das Sprunggelenk trainiert, mit den Franklin-Bällen und Therabändern, die er aus der Schweiz für alle geschickt hatte. Am letzten Tag haben wir den Psoas mit den Fingern spüren können und Übungen gelernt, um diesen so wichtigen Muskel für den Tänzer zu trainieren. Zum Abschluss haben wir unsere Kraft trainiert, mit den von ihm entwickelten Übungen mit den Bändern.

Eric Franklin ist so leidenschaftlich dabei, dass er jeden Tag über eine halbe Stunde länger unterrichtet hat und nie müde wurde, die vielen Fragen der Studenten und Schüler zu beantworten. Wir alle, Schüler und Lehrer, haben sehr profitiert, heute sind die Übungen mit Bändern und Bällen ein Teil der Vorbereitung des Unterrichts und die Schüler haben verinnerlicht, was Franklin sagt: „Es ist wichtig, dass ihr an eure Fähigkeit, Vorschritte zu machen, glaubt!“


Sechs Fragen an die „Lehrer, die uns bewegen“ 

Wie und wann sind Sie zum Unterrichten gekommen? 

Eric Franklin: Als ich Schüler an der New York University war ist mir aufgefallen, welche Lehrer und Lehrerinnen den Schülern wirklich helfen konnten und welche nur eine Lektion abgehalten haben, ohne tatsächlich etwas zu vermitteln. Zunächst habe ich diese Unterschiede intuitiv aufgenommen, später aber bewusst registriert. Ich begann schon vor 25 Jahren zu unterrichten und es hat mich schon immer interessiert, wie man jemandem helfen kann, das Beste aus sich herauszuholen, ohne jeglichen Verschleiß des Körpers oder mentalen Stress.

Welche Meister haben Sie nicht vergessen? Und warum? 

Im Tanz war es sicher Cathy Ward, Principal Dancer der Erick Hawkins Company. Sie war die geschmeidigste und eleganteste moderne Tänzerin, die ich je gesehen habe, und eine sehr intelligente Lehrerin. Ich erinnere mich auch an Larry Rhodes. Er war mein Ballettlehrer an der New York University. Jetzt ist er der Direktor der Juilliard School. Er hatte das bestorganisierte Plié, das ich je gesehen habe, und konnte im Unterricht jeden Schüler im Raum wahrnehmen. Andre Bernard hatte fantastische Unterrichtshände welche mehr als viele Worte vermittelten. Er unterrichtete an der New York University Anatomie und Ideokinese. Zvi Gotheiner, dessen Choreografien mich immer faszinierten.

Sind Sie der Meinung, dass man das Lehren lernen kann? Wenn ja, wie sollte Ihrer Meinung nach so eine Ausbildung aussehen? 

Das kann ich nicht innerhalb dieses Gesprächs beantworten. Die Antwort wäre ein ganzes Buch. Unterrichten ist ein Talent, aber vieles kann auch gelernt werden.

Muss für Sie ein Lehrer professionell getanzt haben? 

Nein, nicht unbedingt. Oft sind professionelle Tänzer für Anfänger ungeeignet. Oftmals gelang professionellen Tänzern vieles sehr schnell und sie können dann nicht nachvollziehen, wie ein Schüler mit einem Schritt oder einer Koordination nicht zurechtkommt. Unterricht braucht Einfühlungsvermögen.

Was ist für Sie das Wichtigste für erfolgreichen Unterricht? 

Eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer braucht Inspiration, Präsentation und körperliches und geistiges Wissen. „You’re not just teaching your actions, you are also teaching your state of being.“ Ein guter Lehrer sollte seine Schüler gernhaben, sich gut vorbereiten und gleichzeitig flexibel bleiben. Ein guter Lehrer sollte seine Schüler machen lassen, nicht immer dirigieren und korrigieren, sondern entdecken lassen was besser funktioniert. „Create results and then explain them.“ Selbst inspiriert sein. Der Anbeginn jedes Unterrichtes ist Dein Ist-Zustand. Gut vorbereiten, aber flexibel bleiben. Die Schüler entdecken lassen.

Welche Korrekturen sollen Ihre Schüler nicht vergessen? 

Ich bin kein Fan des Wortes „Korrektur“. In dem Wort drin steckt schon die Idee, dass der Schüler etwas falsch macht. Er macht es so gut wie er kann. Sehr oft führen Korrekturen einfach dazu, dass sich der Schüler verspannt. Tänzer haben wissenschaftlich gesehen ein niedriges Selbstvertrauen. Der Lehrer sollte versuchen, das Vertrauen der Schüler in ihre eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Ich gehe im Unterricht lieber so vor, dass der Schüler die sinnvollere Koordination oder die gewünschte ästhetische Form in positivem Sinne selbst „entdeckt“. Der „Fehler“ des Schülers ist lediglich eine Variante, die nicht so effektiv ist. Also hilft man ihm, eine andere zu entdecken, die ihm besser dient. Werkzeuge dazu sind nicht nur Worte, die Berührung oder das Vorzeigen eines Schrittes. Vorstellungskraft und mentales Training sollte im Tanztraining noch viel mehr eingesetzt werden. „Die Bewegung ist so gut, wie die Vorstellung, welche Du davon hast.“


Biografie
Der Schweizer Eric Franklin arbeitet seit über 20 Jahren erfolgreich als Tänzer, Choreograf, Dozent und Buchautor. Er studierte an der ETH Zürich (Diplomsportlehrer) und vertiefte seine Kenntnisse an der Tanzhochschule der New York University, wo er den Abschluss als Bachelor of Fine Arts erwarb.

Eric Franklin hat bei vielen Tanz- und Theaterproduktionen in New York und in Europa mitgewirkt und ist seit 1980 choreografisch tätig. Er unterrichtete lange Zeit den Schweizer Kunstturn-Nationalkader, lehrte am Heilpädagogischen Seminar Zürich und leitete Weiterbildungskurse für Krankengymnasten.

Franklin ist Autor mehrerer Bücher, deren Titel viel über die Inhalte verraten: „100 Ideen für Beweglichkeit“ (1989), „Locker sein macht stark“ (1998), „Befreite Körper“ und „Tanzimagination“ (beide 1999), „Entspannte Schultern - gelöster Nacken“ (2000), „Beckenbodenpower“ (2002), „Fit bis in die Körperzellen“ (2003), „Kraftvoller Auftritt“ (2004), „Denk Dich Jung!“ (2005). Seine Bücher sind in mehreren Sprachen erhältlich, in Deutsch, Englisch, Spanisch, Tschechisch, Polnisch, Italienisch, Holländisch, Koreanisch, Chinesisch und bald auch in Französisch.

Als Gründer des Instituts für Franklin-Methode und als gefragter Gastdozent genießt er den Ruf als Experte in imaginativer Bewegungspädagogik. Das Franklin-Institut bietet weltweit Workshops, Gastkurse, Vorträge und Diplom-Ausbildungen in Bewegungspädagogik an. So ist Eric Franklin als Gastdozent international bekannt, unter anderem an der Hochschule für Tanz in Dresden und am Gymnasium Essen-Werden, der Universität Wien und New York, der Juilliard School in New York, am Königlichen Ballett in Dänemark, an der Royal Ballet School in London, beim American Dance Festival und in China als weltweit erster Tanztherapeut.

www.franklin-methode.ch
 

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