„Bolero. Die Entstehung eines Meisterwerks“ von Anne Fontaine: Raphaël Personnaz

Ein Tanz für die Ewigkeit

Zum Film „Bolero. Die Entstehung eines Meisterwerks“ und Maurice Ravel

Bolero. Er wurde für den Tanz geschrieben und zum Welthit der Klassik schlechthin. Aber es war eine mühsame Geburt, wie jetzt ein neuer Film von Anne Fontaine erzählt.

Hamburg, 07/03/2025

Es ist eine Musik, die alle Viertelstunde irgendwo auf der Welt gespielt wird: Der „Bolero“ von Maurice Ravel. Seit die Noten dafür publiziert wurden, gehört er zum meistgespielten Orchesterstück der Musikgeschichte. Damit dürfte er noch weiter verbreitet sein als Leonard Cohens „Halleluja“, das am meisten gecoverte Lied der Welt. Was jedoch eher weniger bekannt sein dürfte, ist, dass Maurice Ravels „Bolero“ einst im Auftrag einer Tänzerin entstand: Die exzentrische Ida Rubinstein, früheres Mitglied der Ballets Russes, bestellte das Werk 1928 bei dem Komponisten. Jetzt beschreibt ein Spielfilm die mühsame Entstehungsgeschichte dieser Musik und zeichnet gleichzeitig ein Portrait Maurice Ravels, der am 7. März seinen 150. Geburtstag feiert.

Regisseurin Anne Fontaine, die zusammen mit Claire Barré auch das Drehbuch geschrieben hat (frei nach dem Roman „Maurice Ravel“ von Marcel Marnat), war selbst Tänzerin und wuchs in einem musikalischen Elternhaus auf – ihr Vater war Organist und Komponist. Schon früh war sie von Maurice Béjarts Adaptation mit Jorge Donn fasziniert. „Wie hat Ravel den Bolero konzipiert?“ stand als Frage am Anfang ihrer Recherchen. „Ich wusste kaum etwas über seine Persönlichkeit und war entschlossen, ihm durch die zyklische und fesselnde Struktur dieses Meisterwerkes näherzukommen“, sagt sie in einem im Presseheft zum Film abgedruckten Interview.

Das Maschinelle und das Erotische

Der Film beginnt mit einer Szene in einer Maschinenfabrik, wohin Ravel Ida Rubinstein (gespielt von der Tänzerin und Schauspielerin Jeanne Balibar) seinerzeit lockte. Nicht ohne Grund, denn, so schrieb er 1932 an den „Evening Standard“: „Ein großer Teil meiner Inspiration kommt von Maschinen. Ich liebe es, Fabriken zu besuchen und große Anlagen in Betrieb zu sehen: Es hat etwas Ergreifendes und Großartiges. Es war eine Fabrik, die den Bolero inspiriert hat. Ich wünschte, man würde ihn immer vor einer Kulisse im Fabrikstil tanzen lassen.“

Die Uraufführung indes fand in der Pariser Oper statt und Ida Rubinstein tanzte lasziv auf einem runden Tisch, umgeben von vier Frauen und acht Männern an dessen Rand. Ravel war entsetzt – jegliche Assoziation zu Erotik und Sexualität waren für ihn schier unerträglich, wie auch die Musik für ihn schwer auszuhalten war, obwohl er sie selbst geschaffen hatte. „Ravel sah im Bolero eine Allegorie des Lebens, das im Chaos endet“, sagt Hauptdarsteller Raphaël Personnaz in einem Interview. „Nichts Erotisches, nichts Sexuelles – und doch ist das Werk genau das: durch und durch erotisch. (…) Ida Rubinstein machte ihm bewusst, was sie ihm schon immer angedeutet hatte: die erotische Dimension seines Werkes. Der Bolero wurde zu seiner Kreuzigung.“

Ravel selbst tat sich schwer mit Beziehungen – seine langjährige Verbindung mit Misia Sert (gespielt von Doria Tillier) war wohl vor allem platonischer Natur. „Ravel schien sich nicht in eine klassische Liebesbeziehung – weder mit Frauen noch mit Männern – einfügen zu können“, sagt Anne Fontaine. „Seine Kunst war sein Schutzschild vor der Realität, aber sie ließ ihn auch in einer tiefen Einsamkeit zurück.“

Grandioser Hauptdarsteller

Diese Einsamkeit, gepaart mit einer großen Empfindsamkeit und ebenso großen Empfindlichkeit, spielt Raphaël Personnaz als Ravel grandios. Man fühlt mit ihm, wenn er sich beim Komponieren quält, von Selbstzweifeln zerfressen ist. Wenn ihm der Zeitdruck, den Ida Rubinstein ausübt, schier die Luft zum Atmen nimmt, ihm, der eher langsam komponierte, dem jegliche Eile, jeglicher Druck verhasst war. Personnaz taucht so intensiv in seine Figur ein, dass man sich Ravels Persönlichkeit schließlich gar nicht mehr anders denken kann.

Und vielleicht ist die Atmosphäre in diesem Film auch deshalb so besonders dicht, weil vieles an Originalschauplätzen gedreht wurde: in Ravels Haus „Le Belvedère“ in Monfort-l’Amaury, ca. 60 km westlich von Paris, wo Personnaz sich sogar an Ravels Klavier setzen durfte (im Film spielt er 80 Prozent der Klavierszenen selbst, die anderen übernahm der Pianist Alexandre Tharaud).

Ein überaus sehenswerter Film (am besten nicht in der deutschen Synchronisation, sondern in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln), dem man nur einen ähnlichen Erfolg wünschen kann, wie er dem „Bolero“ zuteil wurde.


Bolero. Die Entstehung eines Meisterwerks

Regie: Anne Fontaine
Drehbuch, Adaption und Dialog: Anne Fontaine und Claire Barré
Verleih: x-Verleih
Seit 6. März 2025 in den Kinos
 

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