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Wie die österreichische Tanzplattform Tanz und Performance stärken will
Für viele Jahre gab es keine österreichische Tanzplattform mehr. Erst 2023 – mit großer Initiative durch das neugegründete und aus den wichtigsten Tanz- und Performanceinstitutionen Österreichs bestehende CPA-Board – fand die erste Choreographic Platform Austria in Wien und St. Pölten statt.
Anders als in der ersten Ausgabe, bei der das Board die Auswahl zusammenstellte, hat die diesjährige Kuratorin und Szene-Intendantin Angela Glechner einen transparenten Juryprozess mit einem Open Call unter geringen Auflagen eingeführt. Wichtig war ihr, wie sie bei der Pressekonferenz im September 2025 betonte, dass die Plattform kein „Premierenfeuerwerk“ wird, aber auch kein thematisches Festival oder eine Best-of-Schau. So verfolgt Glechner, die in Salzburg seit 2012 das internationale Sommerszene-Festival ausrichtet, einen klaren kuratorischen Ansatz, mit einem präzisen Blick auf den state of the art der österreichischen Szene: Welche Ästhetiken, Themen und Formate prägen zurzeit die Tanz- und Performanceszene Österreichs – sowohl in der freien Szene als auch an den institutionellen Häusern? Gleichzeitig positioniert sich die Plattform als internationale Messe und als Botschafterin für Österreich als Produktionsstandort.
Insgesamt gab es für den Open Call im vergangenen Sommer 175 Einreichungen, die von einer Jury – bestehend aus Julia Sahlender (Redakteurin Ö1), Elisabeth Bernroitner (Kuratorin Brunnenpassage & D—Arts Projektbüro für Diversität), Elisabeth Schack (Co-Direktorin Schauspiel, Tiroler Landestheater) sowie Prof. Dr. Eike Wittrock (Tanzwissenschaft, Musik und Privatuniversität Wien) – unter die Lupe genommen wurden. 100 Arbeiten sichteten sie live, dazu kamen 100 Stunden Videomaterial und 30 Stunden lebhafte Diskussion, wie Wittrock berichtet. Leicht haben sie es sich nicht gemacht. Kriterien für ihre Auswahl waren neben der künstlerischen Qualität, die Repräsentation aller Bundesländer Österreichs sowie die Aktualität der Produktionen (sie durften nicht vor Sommer 2023 entstanden sein). Und vor allem wurde auf die Tourfähigkeit der Produktionen geachtet. Denn angesichts angekündigter Kürzungen in Touring-Programmen wie DOTA oder ACT OUT ab 2026 gewann die Frage an Gewicht, welche Arbeiten mit kleineren Budgets und leichten technischen Set-ups mobil bleiben können. Viele ausgewählte Produktionen sind Soli oder Duette.
So war das Programm eine Zusammenschau von wenigen größeren Arbeiten, etwa von Myassa Kraitt, Matteo Haitzmann oder Ulduz Ahmazadeh, und kleineren Formaten, etwa von Michikazu Matsune und Martine Pisani im Salzburger Kunstverein geworden. Das Spektrum reichte von Produktionen aus Wien, Salzburg, Linz, von bereits etablierten Namen mit überregionaler Bedeutung wie Claudia Bosse und Doris Uhlich, aber auch von Newcomerinnen, etwa der russischen, in Innsbruck lebenden Tänzerin Sasha Portyannikova. Die biografischen und förderpolitischen Linien zeigen deutlich, wie vernetzt die österreichische Szene arbeitet – von Residenzen in Hellerau oder Karlsruhe über lokale Förderungen in Tirol und Salzburg bis hin zu Koproduktionen zwischen Bundesländern und internationalen Netzwerken.
Neben den zehn Live-Performances gab es von Doris Uhlich eine Präsentation zu ihrer Arbeit „melancholic ground“ geben, die in diesem Rahmen aufgrund fehlender Ressourcen und spezieller Bedarfe für behinderte Tänzer*innen nicht als Live-Performance gezeigt werden konnte. Dazu kommen Pitching Sessions, zwei CPA-Plus-Showings – des Toihaus Theaters und des BODHI Projects – sowie ein lokales Rahmenprogramm.
Mit Walking Dance Classes der Street Dance-Truppe Flavourama oder dem Mapping Project von Tomaž Simatović und Szene wurde bewusst der Stadtraum Salzburgs miteinbezogen, mit dem Ziel, die lebendige und manchmal unterschätzte Tanzszene zu zeigen. Denn die Stadt beherbergt nicht nur mehrere kleine und große Bühnen sowie Museen und Galerien, auf und in denen Tanz regelmäßig gezeigt wird, sondern auch mit dem SEAD – Salzburg Experimental Academy of Dance und dem Orff-Institut des Mozarteums zwei Tanzausbildungsstätten und eine an der Universität Salzburg beheimatete Tanzwissenschaft: Studierende aus dieser Disziplin berichten hier über die Choreographic Platform Austria.
Gerade die Formate des Rahmenprogramms dienen nicht nur der Sichtbarkeit, sondern auch dem strukturellen Wissenstransfer innerhalb der Szene – ein Faktor, der aufgrund der teils schwierigen kulturpolitischen Lage in Österreich an Bedeutung gewinnt. Förderungen brechen im ganzen Land weg, viele Bundesländer stehen unter Spardruck. Dass die CPA 2025 dennoch gut finanziert ist, gilt als wichtiges Signal. Der Gesamtetat von 400.000 Euro für 2023–2025 wurde gemeinsam von Bund, Ländern und Städten getragen, was kein Selbstläufer ist, wie verschiedene kulturpolitische Turbulenzen belegen.
Man darf also gespannt sein auf Texte zum facettenreiches Programm, das überraschend unterschiedliche künstlerische und ästhetische Zugänge auffächert, sensibel aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreift und die Perspektiven auf choreografische Positionen – etwa durch ein Stück aus dem Bereich des Zeitgenössischen Zirkus von Hanschitz & Beierer/Neumayer – erweitert und einen vielfältigen Blick auf unterschiedliche Körper und Sprachen der Bewegung wirft.
Mehr dazu im Blog der Studierenden hier bei tanznetz.de und auf Instagram!
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