Mehr Farbe!
„Kaleidoskop“ an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf
In „Hope - Facetten der Hoffnung“ dem neuen Tanzabend im Luzerner Theater versuchen zwei junge Choreograf*innen auf ihre Art, das Positive in uns und in der Zukunft zu erkennen. Sie verströmen zusammen mit dem 13-köpfigen, quirligen Ensemble eine ansteckende Lebenslust und Freude am Tanz. Und sie schauen dabei gerne zurück in die Vergangenheit.
Der Südafrikaner Mthuthuzeli November begann 2021 an eben diesem Theater seine Karriere als Choreograf in der Schweiz. In London, wo er derzeit lebt, tanzt und choreografiert er unter anderen für das Ballet Black und Musicals. Bei seinem Stück „Oh Deer“ geht es ihm um schwindende Ressourcen wie das Wasser.
Während ein einsamer Hirsch an einem Teich seinen Durst löscht, landen außerterrestrische Wesen mit ihrem Raumschiff auf der Erde. Sie sind auf der Suche nach Wasser, das sie für ihren Lebensraum benötigen und das bei ihnen auszugehen droht. Der Hirsch – wunderbar gestaltet und getanzt, immer mit einer großen Maske mit Hirschgeweih (Bregje van Balen), beobachtet die fremden Gestalten. Zu Beginn noch unsicher und im Licht verschwommen, mit zuckenden, leicht bedrohlichen Gesten, nähern sie sich der neuen Lebensquelle. Sie bewegen sich erst animalisch, in sehr bodenbetonten Bewegungen. In ihrer Freude über die neue Lebensquelle beherzigen sie aber bald zeitgenössische Tanzstile von Disco und Musical. Mthuthutzeli November und wir erinnern uns dabei an Szenen aus dem Musical „The Lion King“. Haben die Aliens auf ihrem Planeten Youtube und Netflix geschaut?
Klänge aus dem Alltag
Einengend wirkt die begrenzte Bühnenfläche mit dem Teich in der Mitte, die den Tänzer*innen wenig Spielraum bietet. Choreografisch gibt es wenig Vielfalt. Die unablässigen und rasanten Bewegungen wirken bald etwas stereotyp und auf die Dauer ermüdend. Das Ende – vor dem Schluss – benötigt noch einen kreativen Schub: Als der Hirsch sich ebenfalls unter die Aliens mischt und mittanzt, verschwinden diese etwas plötzlich und einfallslos auf die Nebenbühnen. Kampflos? Und ohne Raumschiff? Das ist nur ansatzweise verständlich. Wenn zum wirklichen Schluss der Hirsch allein auf der Bühne zu Aretha Franklins „You‘ll Lose a Good Thing“ sich fast schwerlos bewegt, ist das ein genussvoller und tänzerisch schöner Schluss, aber auch ein abrupter musikalischer Bruch. Mthuthuzeli November hat die Musik für seine Kreaturen eigens komponiert und ganz viel Energie hineingesteckt. Er hat dafür Melodien, Klänge und Geräusche aus seinem Alltag zusammengebraut.
Sein „Oh Deer“ ist etwas zu ambitiös gedacht. Zur Premiere war das Stück – noch – lückenhaft und nicht ganz stimmig. Man würde gerne mehr verstehen. Nichtsdestotrotz – dem Publikum gefiel’s.
Rebellische 60er Jahre
Auch in der zweiten Produktion des Abends geht es um Tierisches, zumindest dem Titel nach: „White Rabbit“ bezieht sich auf den 1967 entstanden gleichnamigen Song von Jefferson Airplane und den Hasen in „Alice im Wunderland“. Auch Phoebe Jewitt begann ihre Karriere am Luzerner Theater. In ihrem ersten Stück auf der großen Bühne geht es um die Hoffnung auf eine bessere Welt, eine, wie sie sich die Generation der 60er Jahre rebellisch erkämpft hatte.
Beobachtet werden die tanzenden „Kaninchen“ auf ihrer mehr oder weniger psychedelischen Reise von einem großen Auge – aus diesem Auge, das einem großen Lichtkegel weicht, quellen sie nach und nach hervor. Sie entlehnen sich heutiger wie auch damaliger Tanzstile, entwickeln aber auch ganz aktuelle eigenständige Tanzkreationen, vor allem in den Solos und Duos. Hyperdynamische Momente wechseln sich dramaturgisch und musikalisch ab mir ruhigeren Phasen.
Bunte Kostüme, die an die Mode der Carnaby Street der 60er Jahre mit Mini-Röcken à la Mary Quant erinnern, unterstützen atmosphärisch dieses stimmungsvolle Stück; gegen Ende gibt es ein paar Längen. Zu „Paint it Black“ von den Rolling Stones, einem rockigen aber düsteren Song, gerät das Ensemble in einen erfrischenden Tanzrausch. Dann folgt ein guter, knalliger Schluss.
Hoffnung liegt im Tanz
Phoebe versteht es als Jungchoreografin erstaunlich gut, Übergänge und auch Zu- und Abgänge reibungslos zu gestalten und Überraschungen einzubringen, sei es von der Musik, der Bühne, dem Tanzvokabular und so weiter. Sie spielt mit Clichés, die nicht immer ganz ernst gemeint sind und bricht sie auf.
Die beiden relativ kurzen Stücke von rund 30 Minuten zeigen, was die heutige Tanzgeneration bewegt und dass sie viel Hoffnung im Tanz findet. In Luzern hat sie nicht nur die Herzen eines jungen Publikums erobert, sondern auch eines tanzbegeisterten älteren Premierenpublikums. Mit einem relativ kleinen Team gelingt es der Ballettdirektorin Wanda Puvogel – die ab nächster Saison Co-Direktorin des Luzerner Theaters wird – immer wieder fesselnde Tanzabende zu gestalten.
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