Im Gleichklang des Tanzes

Die Kessler-Zwillinge haben die Bühne des Lebens verlassen

Mit dem Tod von Alice und Ellen Kessler endet eine Ära internationaler Unterhaltungskunst. Die seit den 1950er-Jahren als „Kessler-Zwillinge“ bekannten Ikonen des Showgeschäfts starben am 17. November 2025 im Alter von 89 Jahren in München – bis zuletzt selbstbestimmt und eng verbunden .

München, 18/11/2025

Von den ersten Ballettschritten zur Weltbühne

Ihre Tanzkarriere begann früh: Im Alter von sechs Jahren schickten die Eltern die Schwestern zum klassischen Ballettunterricht – der Grundstein für Disziplin und Körperbeherrschung, die später zum Markenzeichen der Kessler-Zwillinge werden sollte. 1947 nahm das Kinderballett der Oper Leipzig die Mädchen auf, 1950 bestanden sie die Aufnahmeprüfung für die Operntanzschule. Ihre Kindheit war familiär schwierig und geprägt von Sorgen und häuslicher Gewalt, aber gerade im Tanz fanden die Mädchen Halt, Ausdruck und eine gewisse Form von Freiheit.

Im Jahr 1952 gelang Alice und Ellen Keller über ein Besuchervisum die Flucht aus der DDR nach Düsseldorf. Noch im selben Jahr erhielten sie ihr erstes Engagement als Tänzerinnen im Revuetheater Palladium. Dort wurden sie vom Direktor des Pariser Lido entdeckt und ans weltberühmte Varieté verpflichtet. Mit 18 Jahren betraten sie die Bühne auf den Champs-Élysées – und verzauberten das internationale Publikum mit Synchronität, choreografischer Präzision, Bühnenpräsenz - und Sexappeal.

Tanz als Weltsprache

Kaum ein anderes deutsches Künstlerduo prägte die Revuekunst der Nachkriegszeit so sehr wie die Kessler-Zwillinge. Ob in Paris, Italien oder den USA – ihre Auftritte standen für Eleganz und Modernität. In den prüden 1950er-Jahren zeigten sie als erste Frauen im italienischen Fernsehen „Bein“ – und wurden dafür ebenso gefeiert wie kritisiert. Doch vor allem wurden sie international verehrt und gefeiert: Sie tanzten an der Seite von Legenden wie Frank Sinatra, Fred Astaire und Harry Belafonte und gastierten in großen TV-Shows von New York bis Sydney.

Der Tanz blieb stets wichtiges Zentrum, auch wenn sie ebenso als Sängerinnen, Schauspielerinnen und Entertainerinnen ein breites Publikum erreichten. 1976 kehrten sie für das Brecht/Weill-Stück „Die sieben Todsünden“ auf die traditionelle Bühne zurück und verkörperten als „Anna I“ und „Anna II“ ein gespaltenes Ich – eine Rolle, die wie geschaffen schien für zwei Künstlerinnen, die sich stets wie zwei Hälften eines Ganzen verstanden.

Späte Jahre und gemeinsamer Abschied

Selbst im hohen Alter bildete der Tanz einen Mittelpunkt ihres Lebens. Noch 80-jährig traten sie im Musical „Ich war noch niemals in New York“ auf und bewiesen, dass ihre künstlerische Energie ungebrochen war. Später zogen sie sich aus dem Showgeschäft zurück und lebten gemeinsam in Grünwald bei München - im ehemaligen Wohnhaus ihrer geliebten Mutter. 

In weiten Teilen führten die Kessler-Zwillinge ein für Frauen und die damalige Zeit ungewöhnlich selbstbestimmtes Leben – und dies vor allem stets gemeinsam. „Im Tode vereint, so hätten wir es gern“, sagte Ellen Kessler einst. Diesen Wunsch haben sie sich selbst erfüllt und die Bühne des Lebens gemeinsam verlassen, so wie es einst gemeinsam betreten haben. Eine Ära endet.  

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