„Democratic Playground – Exploring the room“ von Stefanie Elbers und Oleg Zhukov

Wenn alle gleichzeitig reden, wem hören wir zu?

„Democratic Playground – Exploring the room“ mit dem Jungen Forum Freies Theater in Düsseldorf

Jugendliche erkunden auf dem Spielplatz Bühne Sichtweisen auf demokratische Prozesse.

Düsseldorf, 02/05/2025

Von Charlotte Spahn

Es beginnt holprig auf einer Müllhalde: Volle Müllsäcke, leere umgestoßene Getränkekisten, ein Teppich, Rohre und loser Müll bedecken den Bühnenraum. Aus der Mitte des Müllhaufens ragt ein kahler Baum im Blumentopf. Ohne System versuchen die Protagonist:innen, sich die Bühne erst einmal frei zu räumen und betonen, dass sie für diese Sauerei nicht verantwortlichen seien. Die Jüngeren müssen sich um den Müll der Älteren kümmern? Vielleicht war das der Ausgangsgedanke dieses Einstiegs, jedoch wird er nicht konkreter als eine Vermutung – wie so Vieles im Verlauf der Inszenierung.

„Democratic Playground – Exploring the room“ ist ein Projekt des Jungen Forum Freies Theater in Düsseldorf. Die Künstler*innen Stefanie Elbers und Oleg Zhukov sehen sich selbst, wie auf der Website zu lesen ist, als „Kompliz*innen“ der jugendlichen Darstellenden, die als Ko-Autor*innen genannt werden. Diese Arbeitsweise spiegelt sich auch in der Inszenierung wider: Alltagsszenen und Fragen der Jugendlichen dienen als Inspirationsquelle die Szenen. Ihre Sichtweisen auf demokratische Prozesse dienen dabei als verbindendes Element. Die musikalische Leitung der Band, die den gesamten Abend im Hintergrund plätschernd auf der Bühne begleitet, liegt bei Kornelius Heidebrecht.

Visualisierung von Statements

Nach einem etwas langatmigen Aufräumprolog kommt der titelgebende demokratische Spielplatz erst so richtig in Gang: Schilder, die an Demonstrationschilder mit Forderungen oder Missständen erinnern, bezeichnen die Szenen: „Demokratisches Denkmal“ liest man da, „Statistiken“, „Interviews“, „Miteinander verbunden“ oder „Potenzialanalyse“. 

Unter dem Müll kommt ein mit neongelbem Tape abgeklebtes Quadrat auf dem Boden zum Vorschein. Eine Darstellerin erzählt, dass sie im Rahmen der Recherche zum Stück eben dieses Quadrat in der Düsseldorfer Innenstadt aufgeklebt habe – verbunden mit einer Umfrage zum Thema „Demokratie“. Während sie gewonnene Einsichten und Aufnahmen von diesen Passant*innengesprächen mit dem Publikum teilt, stellen die Kolleg*innen das Erzählte im Quadrat nach. Dieses wird auf der Bühne zum Symbol des demokratischen Raum voller Möglichkeiten. 

Die Körper als tänzerische Reaktion auf das Gesagte rücken als Ausdrucks- und Kommunikationsform das erste Mal in den Fokus. Gruppenstandbilder begleiten Aussagen der Passant*innen wie: „Mit Demokratie hab ich in meiner Lebensrealität nichts zu tun.“ – „Ich darf gar nicht mehr frei reden ohne, dass die Polizei kommt.“ – „Seien Sie froh, dass so ein Kunstprojekt noch gefördert wird.“ Oder: „Demokratie ist ein Privileg, wofür man Zeit braucht.“ Viele Themen werden angeschnitten, doch das Gesagte erscheint und verschwindet folgenlos mitsamt seiner körperlichen Illustration. 

Bekannte Meinungen und Problemlagen 

Die Performenden führen „Unterhaltungen“: tänzerisch, musikalisch, sprachlich. Sie erproben Kommunikation als zentralen Bestandteil demokratischer Prozesse. Vielfältigkeit und Gleichzeitigkeit als Herausforderung werden dabei über die räumliche Entfernung zwischen den Dialogpartner*innen oder deren wechselnde ‚Kommunikationsinstrumente‘ wie eine Posaune, eine Querflöte oder eine Diskussion zwischen zwei Tänzer:innen abgebildet. Dabei haben die Darstellenden jeweils ihr eigene charakteristische Bewegungsqualität, welche sich in sich wiederholenden Bewegungspattern manifestiert. In der Kommunikation untereinander wird deutlich, wie die anderen Bewegungen die eigenen beeinflussen und verändern können. Einen Raum herzustellen, in dem allen zugehört, ist eben ein hartes Stück Arbeit.

Aber genügt es wirklich, auf der Bühne Kommunikationsprozesse auszustellen, um Demokratie und ihre Herausforderungen erfahrbar zu machen? In einer Zeit, in der die politischen Meinung und Positionen scheinbar immer weiter auseinander gehen und sich immer mehr Blasen bilden, ist die Thematik gerade in der Auseinandersetzung mit Jugendlichen zweifellos wertvoll. Auch dass ein Projekt mehr Fragen als Antworten bietet, kann anregend sein: Wie gehen wir mit den Aussagen anderer um, deren Meinung wir nicht teilen? Wie kommen wir gerade dann ins Gespräch? Dass die Spielplatz-Erkundung trotzdem seltsam unbefriedigend bleibt, liegt vielleicht daran, dass vor allem bekannte Meinungen und Problemlagen wiederholt, aber weder vertieft noch verfolgt werden. Zwar werden viele Perspektiven gezeigt, Handlungsstränge angefangen und Fragen gestellt, aber es sind letztendlich alte Fragen, bekannte Meinungen und Problemlagen, aufgeführt in einer Blase Gleichgesinnter. 

 

 

Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW

 

Dieser Text entstand im Rahmen des Projekts „Bewegungsmelder – Nachwuchswerkstatt für Tanzjournalismus aus NRW“, einer Kooperation von tanznetz mit dem Masterstudiengang Tanzwissenschaft des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (ZZT) an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem nrw landesbuero tanz.

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