"Trailer Park", tanzmainz DE, Moritz Ostruschnjak

„Tanz 100“

tanznetz kommt mit einem neuen Format und befragt zum Spielzeitende 100 Persönlichkeiten aus der Tanzbranche

Kein gutes Bild für die Produktionsbedingungen in der Freien Szene. Aber gute Noten für die künstlerische Entwicklung in der gesamten Szene. Und wichtige Namen, die in der kommenden Zeit eine noch größere Rolle spielen sollten.

München, 01/07/2025

tanznetz befragte zum Spielzeitende die Branche zur Stimmung in der Tanzszene und fragte nach drei herausragenden Persönlichkeiten. 100 bekannte Personen wurden um ihre Meinung gebeten - zu gleichen Anteilen aus Stadttheatern, staatlichen Institutionen und der freien Szene. 50 haben mitgemacht, 30 im Anschluss auch ihren Namen hinterlassen. Die Antworten dieser Umfrage können den Teilnehmer*innen nicht zugeordnet werden und bleiben anonym.

4 Fragen an die Branche zur Lage der Tanzszene im deutschsprachigen Raum

Note 1 sehr schlecht, Note 10 sehr gut

 

Wie schätzen Sie die künstlerische Entwicklung der Ballett- und Tanzkompanien an Städtischen und Staatlichen Bühnen ein? 

-> Ergebnis: 6,8

 

Wie schätzen Sie die Lage der Städtischen und Staatlichen Bühnen für den Tanz in Hinblick auf die Produktionsbedingungen ein? 
-> Ergebnis 6,2

 

Wie schätzen Sie die künstlerische Entwicklung im Tanz der Freien Szene ein? 
-> Ergebnis 6,5

 

Wie schätzen Sie die Lage der Freien Szene für den Tanz in Hinblick auf die Produktionsbedingungen ein? 
-> Ergebnis 3,8

 

Das war zu erwarten. Es gibt gute Noten für die künstlerische Entwicklung sowohl an städtischen und staatlichen Bühnen (6,8) als auch in der freien Szene (6,5). Davon sprechen die hervorragende Publikumsauslastung bei fast allen Tanzvorstellungen und die vielen guten Rezensionen nicht nur in diesem Medium. Der Tanz hat nach der Coronakrise zurückgefunden, und wie! 

Leider hat die aktuelle Finanzkrise nun voll zugeschlagen. Dabei trifft es vor allem die Freie Szene, die schon immer unter eher prekären Bedingungen gearbeitet hat. Zwischen Budgetkürzungen und der allgemeinen Teuerungslage in Kombination mit den Bemühungen um "Art but Fair" und teuren Ausgaben für Accessibility (Zugänglichkeit) trifft es die Freie Tanzszene besonders hart. Mit der Note 3,8 liegt die Einschätzung der Produktionsbedingungen eindeutig im negativen Bereich. Es beutelt aber auch städtische und staatliche Bühnen, sie profitieren noch von ihren guten Strukturen und der Leidens- und Anpassungsfähigkeit der Kompanien. Jetzt ist die Kulturpolitik gefragt, dass die Bedingungen wieder besser werden. Wir behalten die Szene im Blick! 

Welche Personen aus der Tanzszene sollten Ihrer Meinung nach in der kommenden Zeit eine größere Rolle spielen?
 

Insgesamt wurden über 90 Namen aus der Freien Szene, Stadt- und Staatstheatern, aus Klassischem Ballett, Zeitgenössischem Tanz, Tanztheater, Streetdance usw. auf, neben, oder hinter der Bühne genannt.

Die Meistgenannten

Von oben nach unten je nach Häufigkeit der Nennungen. 

Christian Spuck, Ballettintendant und Choreograf Staatsballett Berlin
Richard Siegal, Choreograf, designierter Ballettdirektor Staatstheater Nürnberg
Tobias Staab, Künstlerische Leitung International DANCE Festival München
Bridget Breiner, Chefchoreografin des Ballett am Rhein, Düsseldorf
Edward Clug, Choreographer in Residence am Ballett Dortmund
Thomas Thorausch, stellvertretender Leiter des Deutschen Tanzarchivs Köln
Joana Tischkau, Choreografin und Regisseurin, Frankfurt und Berlin
Helge Letonja, Choreograf und Intendanz "Of Curious Nature" / steptext dance project
Rafaële Giovanola, Künstlerische Leitung CocoonDance Company in Bonn
Florentina Holzinger, Choreografin und Performancekünstlerin, Wien und Volksbühne Berlin
Moritz Ostruschnjak, Choreograf, Freie Szene, München
Anna Wagner, Künstlerische Leitung und Geschäftsführung Mousonturm, Frankfurt

Spannende Mischung

Bei den Meistgenannten finden sich durchweg Namen, die bereits eine wichtige Rolle in der Tanzszene spielen. Neben Christian Spuck, Richard Siegal und Bridget Breiner, wurden mehrere Choreograf*innen aus der freien Szene sowie das Tanzarchiv Köln und der Mousonturm genannt. 

Abgestimmt wurde in der Zeit vor der Bekanntgabe des Deutschen Tanzpreises an Christian Spuck. Trotzdem ist seine Nomination hier keine Überraschung, kommen doch seine künstlerischen, kuratorischen und sozialen Leistungen beim Staatsballett Berlin, dem Publikum und der Kritik gleichermaßen gut an und stabilisierten diese renommierte Kompanie in kurzer Zeit. Richard Siegal gilt zurecht als große Hoffnung beim Nürnberg Ballett ab der kommenden Saison in der Nachfolge von Goyo Montero, der nach überaus erfolgreichen Jahren nach Hannover wechselt. Tobias Staab hat mit seinen starken Paradigmenwechseln in Richtung Performance, Museen und Clubkultur anscheinend vieles richtig gemacht bei seinem Start als Künstlerischer Leiter des International DANCE Festivals München. 

Bridget Breiner hat in der Nachfolge von Demis Volpi als Chefchoreografin des Ballett am Rhein ihre erste Spielzeit hinter sich und wird sofort für ihre Leistungen belohnt. Edward Clug war bereits mit mehreren wichtigen Arbeiten an renommierten Häusern wie dem Stuttgarter Ballett, Ballett Zürich, Staatsballett Berlin oder Wiener Staatsballett vertreten und erhält darüber hinaus Vorschusslorbeeren für die Ko-Direktion am Ballett Dortmund ab der kommenden Spielzeit. Man darf gespannt sein! Thomas Thorausch, stellvertretender Leiter des Deutschen Tanzarchivs Köln, überzeugt seit Jahren nicht nur als Archivar und Ausstellungsmacher, sondern auch als eine äußerst integrative Persönlichkeit, die immer das Große und Ganze im Blick hat. Beim Dachverband Tanz Deutschland schiebt er im Fachausschuss für Archive, Journalismus und Wissenschaft vieles an und steht wie ein Fels in der Brandung für die Sache Tanz. Die in Berlin und Frankfurt ansässige Choreografin und Regisseurin Joana Tischkau untermauert ihre Bedeutung für die Tanzszene, nicht durch ihre künstlerische Handschrift auf den Bühnen, sondern auch durch ihre starke Präsenz und klare Haltung bei Diskursveranstaltungen. 

Wer in der Tanzszene unterwegs ist, kennt Helge Letonja. Er ist Choreograf, Gründer und Intendant der Tanzkompanie Of Curious Nature, Leiter des langjährigen Projekts steptext dance project in Bremen und prägt seit rund 6 Jahren maßgeblich den Vorstand des Dachverband Tanz Deutschland. Er beeindruckt als Choreograf wie auch als kulturpolitisch stringent denkender und arbeitender Lobbyist. Schön, dass er es auf die Liste geschafft hat. 

Rafaële Giovanola, Künstlerische Leitung der CocoonDance Company in Bonn, war 8 Jahre lang Tänzerin bei William Forsythe. Sie bespielt mit ihrem Ensemble den Bonner Ballsaal und erarbeitete sich mit ihrer 25 Jahre alten Kompanie von Jahr zu Jahr mehr Anerkennung und Renommee, national wie international. Florentina Holzinger, Choreografin und Performancekünstlerin, Wien und Volksbühne Berlin, bleibt das Aushängeschild für den Tanz über die Grenzen der Tanzszene hinaus. Sie füllt die Säle der großen Festivals und bleibt Stammgast beim Berliner Theatertreffen. Moritz Ostruschnjak aus München überzeugte in der letzten Saison mit gleich zwei ikonischen Produktionen "Cry Why" und "Non + Ultras" sowie dem Pop Up „Cardboard Sessions“ im Rahmen des International DANCE Festivals in München. Dazu kommen zahlreiche Gastspiele weltweit. Klar, dass er auch in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Anna Wagner, Ko-Intendantin und Geschäftführerin des Künstler*innenhaus Mousonturm, stärkt mit empathischer Hand die Öffnung und Bedeutung des internationalen Produktionshauses für Frankfurt und darüber hinaus - insbesondere im Tanz gab es hier zuletzt einige künstlerische Highlights zu bewundern. 

Dankeschön an die Umfrage-Teilnehmer*innen

Tarek Assam Ballettdirektor und Chefchoreograf von TANZ HARZ am Nordharzer Städtebundtheater Halberstadt / Quedlinburg 
Anika Bendel Tänzerin, Produzentin, Gründungs- und Vorstandsmitglied von dancersconnect – Ensemble Netzwerk Tanz e.V., Vorstand DTD, Stuttgart 
Margrit Bischof Gesellschaft für Tanzforschung, Vorstand DTD, Zürich 
Gabriele Brandstetter emeritierte Professorin für Theaterwissenschaft und Tanzwissenschaft an der Freien Universität, Berlin 
Ricardo Carmona Künstlerischer Leiter Festival Tanz im August, Berlin 
Matteo Carvone Tänzer und Choreograf, Müchen 
Honne Dohrmann Künstlerischer Leiter von tanzmainz am Staatstheater Mainz 
Tobias Ehinger Ballettmanager und Geschäftsführender Direktor des Theater Dortmund 
Angelika Endres Tanz- und Theaterwissenschaftlerin an der LMU und Produzentin in München 
Kerstin Evert Künstlerische Leitung von K3 Zentrum für Choreographie in Hamburg 
Michael Freundt Geschäftsführer des Dachverband Tanz Deutschland in Berlin 
Alexandra Georgieva Ballettdirektorin am Friedrichstadt-Palast Berlin und Präsidiumsmitglied der BBTK 
Heide-Marie Härtel Künstlerische Leiterin des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen 
Heather Jurgensen Ballettmeisterin und Stellv. Ballettdirektorin am Theater Kiel, Präsidium BBTK 
Ursula Kaufmann Fotografin mit Schwerpunkt Tanz, Essen 
Anna Konjetzky freie Choreografin in München 
Helge Letonja Choreograf, Tanzproduzent, -veranstalter, Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer von steptext dance project Bremen, Vorstand DTD
Ivan Liška Künstlerischer Leiter des Bayerischen Junior Ballett München 
Bettina Masuch Künstlerische Leiterin am Festspielhaus St. Pölten in Österreich 
Ralf R. Ollertz Komponist, künstlerischer Ko-Leiter der Halle Tanzbühne Berlin 
Rajyashree Ramesh Bühnentänzerin, Vermittlerin und Forscherin, Vorstand DTD, Berlin 
Juliane Raschel Koordinatorin der Tanzplattform Rhein Main, Frankfurt 
Regina Rossi Choreografin und Tänzerin, Hamburg 
Constanze Schellow Juniorprofessorin für Tanz­vermittlung und -­wissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz Köln 
Simone Schulte-Aladag Leitung Fokus Tanz, Partnerin bei Explore Dance, Ko-Leitung Tanzbüro München 
Thorsten Teubl Tanzdirektor am Staatstheater Kassel 
Severin Vogl Fotograf und Filmer mit Schwerpunkt Tanz, München 
Max Wagner Geschäftsführer der Beisheim Stiftung, München 
Anna Wagner Intendanz und Geschäftsführung Mousonturm, Frankfurt 
Christian Watty Künstlerischer Leiter Euroszene Leipzig

und die 20 anonymen Stimmen

 

 

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