Ballett-Matinee der John-Cranko-Schule: „Fantasie Impromptu“

Ballett-Matinee der John-Cranko-Schule: „Fantasie Impromptu“ (UA) mit Maja Augustyniak, Yana Peneva, Loenardo D’Donofrio, Nicholas Isabelli, Carter Smalling, Carlos Strasser, alle: Akademie B

…und so tanzt der Nachwuchs in Stuttgart

Jubel und Begeisterung für die Ballett-Matinee der John-Cranko-Schule

Acht der diesjährigen Absolventinnen und Absolventen erhalten Engagements beim Stuttgarter Ballett, was vor allem für die konstruktive Zusammenarbeit mit der Kompanie spricht.

Stuttgart, 27/07/2023

Zum Jahresabschluss der John-Cranko-Schule beginnt es – wie auch anders – ganz klassisch mit der Suite aus dem Ballett „Der Nussknacker“ von PeterTschaikowski. Getanzt werden die originalen Choreografien von Lev Ivanov, Marius Petipa und Wassili Wainonen. Es ist eine Freude, hier diese jungen Tänzerinnen und Tänzer zu erleben in ihrer jeweils ganz persönlichen Art und Ausstrahlung, im Umgang mit den hohen Anforderungen dieser anspuchsvollen Vorgaben. Ob im Duo, Alice McArthur und Joshua Nunamaker mit Adrien Hohenberg, Leon Metelsky, Carter Smalling und Sergii Zharikov von der Akademie A & B, oder im Trio aus der Klasse 3, Alexa Jensen, Ruka Suginohara und Waku Tohara, oder im Solo Alexej Orohovsky aus der Klasse 6. Diese Beiträge sprechen für die Vorgaben einer Ausbildung, bei der natürlich die technischen Grundlagen bestens vermittelt werden, dann aber wohl schon bald, der Mut gefördert wird, fernab aller Demonstration des Könnens, die Chancen der individuellen Wahrhaftigkeit zu entwickeln. Hier hat auch die Freude der Darbietung ihren Platz, bestens im Dialog mit nachvollziehbarer, jugendlicher Begeisterung an Drehungen, Sprüngen, auch sensibler Besinnung, um dann wieder aller augenblicklicher Schwerelosigkeit sich in vollem Maße hinzugeben.

Die Betonung der Individualität im Kontext technischen Könnens ist dann noch einmal von Abigail Willson-Heisel, Mitchell Millhollin der Akademie A im Pas de deux des 3. Aktes von Tschaikowskys „Schwanensee“ bestens zu erleben. Da sind jene Momente der Nähe in dieser Tradition des gemeinsamen Tanzes, im Wechsel mit den raumgreifenden Varianten des Tanzes in den Soli um dann wieder im gegenseitigen Führen und Aufhelfen der Nähe des Miteinanders schönsten Raum zu geben.

Im Bezug zur Erde, im Bezug zur Höhe, im Bezug zum Partner, der Partnerin, im  Ausgreifen des Raumes, zeigen diese jungen Tänzerinnen und Tänzer, wie weit sie jene Motive des klassischen Tanzes im zeitlosen Ritus des Pas de deux  in den zeitlichen Kontext ihrer Gegenwart zu übertragen wissen.

So gelingt auch der Sprung in die Gegenwart mit „Drifting Bones“, einer Kreation von Alessandro Giaquinto, Tänzer beim Stuttgarter Ballett, selbst Absolvent der Schule im Jahrgang 2015/2016. Zu erleben sind acht Tänzerinnen und Tänzer der Akademie A. Und wie hier der zeitgenössische Tanz – oder besser doch Ballett – den Dialog mit den vorherigen klassischen Vorgaben sichtbar werden lässt, so auch die Musik. Der Choreograf setzt richtungsweisende Akzente, wenn er Musik von Johann Sebastian Bach in einen Dialog führt mit Songs von Norma Winstone, der Grand Dame des Jazz-Gesanges. Mit diesen Übergängen und Kontrasten eröffnet Giaquinto Wege in die Zukunft.

Nach der Pause dann drei Uraufführungen. „Fantasie Impromptu“ ist ein gemeinschaftliches Projekt von Maja Augustyniak, Yana Peneva, Leonardo D'Onofrio, Nicholas Isabelli, Carter Smalling und Carlos Strasser der Akademie B. Diese Kreation führt auf ganz besondere Weise direkt aus den Klängen, zunächst live vom Tänzer Carlos Strasser am Flügel auf der Bühne gespielt, dann überführt in eine große optische Projektion mit einer Klangcollage, die Klaviermusiken von Frédéric Leonardo Chopin und Claude Debussy mit Motiven des Pianisten verbindet. In den Klängen bewegen sich in der Weiterführung klassischer Elemente, hier vor allem in lyrischer Gruppendynamik: Maja Augustyniak, Yana Peneva, Nicholas Isabelli, Carter Smalling und Carlos Strasser.

Tanz der Gegenwart präsentiert auch das Trio „Desolation“ von Justin Padilla, mit Farrah Hirsch, Clara Thiele und Leon Metelsky. Sicher symbolisch, im Hinblick auf die Varianten der Tanzkunst, die dritte Uraufführung zu verstehen: „Present in absence“ von Alice McArthur zu Musik von Fanny Mendelssohn mit Yana Peneva, Ayako Tsukada, Jacob Alvarado, Nicholas Isabelli. Dann wird es noch einmal klassisch, diesmal für die Jüngeren, wenn Keisuke Miyazaki aus der Klasse 6 eine Variation aus dem 3. Akt „Schwanensee“, auch in der Originalchoreografie tanzt, und darauf, ebenfalls von Petipa, getanzt von Alexei Orohovsky, eine Variation aus „Paquita“.

Der Tänzer Emanuele Babici schloss seine Ausbildung an der Cranko-Schule mit dem Jahrgang 2021/22 ab und hatte zeitnah die Chance sich bei der Kompanie als Choreograf zu bewähren. „Nascita di Venere“ heißt seine Choreografie zum Klavierkonzert von Edward Grieg. Erstaunlich, wie sich hier ein junger Tänzer und Choreograf mythischen Motiven widmet, in denen es um die Geburt der Venus geht. Ein Ballett in drei Szenen, gewissermaßen mit einem Monolog, einem faunischen Solo vor dem Vorhang. Da stehen Schicksale, mitunter von höchster Tragik, der handelnden Personen im Miteinander und auch im krassen Gegeneinander. Ganz im Geiste griechischer Mythologie tanzen Grazien, Horen, Nymphen und Knaben, der vom Schicksal gezeichnete Vater der Göttin, sowie ihr der Rache verfallene Bruder oder die Mutter. Alles auf dem Olymp gemäß der Fantasie des Choreografen, der – und das ist so erstaunlich – eigentlich ganz klassisch, auch ohne jeden Anklang einer üblichen Vergegenwärtigung, es doch vermag uns diese 20 jungen Tänzerinnen und Tänzer der Akademie gegenwärtiger Wahrnehmung ganz nahe zu bringen.

Zum Schluss von den jüngsten der Vorschule, den Klassen 1 - 6, den Akademien, großes Finale, das mit viel Beifall und Jubelrufen bedachte Défilé, eine herrliche Parade des Könnens. Was mit den ersten Kombinationen der Schritte und Bewegungen beginnt, den Grundpositionen, aus denen dann die Sprungkraft hervorbricht, das beschließt diese Matinee dieser Schule in diesem Jahr.

Und noch die gute Nachricht: Allein acht der diesjährigen Absolventinnen und Absolventen erhalten Engagements beim Stuttgarter Ballett, was ja auch vor allem für die konstruktive Zusammenarbeit mit der Kompanie spricht. Andere führen die Wege nach Oslo, zum Norwegischen Ballett, zum Joffrey Ballet in Chicago, nach Bulgarien, nach Tschechien, an das Michailowski Theater in St. Petersburg oder das Georgische Staatsballett in Tiflis. Keine Frage, der Tanz geht weiter.        

 

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